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Wirtschaft: Reich vom Restesammeln

Amerikanische Schrotthändler machen ein gutes Geschäft: Edelmetalle sind weltweit begehrt

Nicht umsonst hat sich Dennis Dourlain den Beinamen „Scrappy“ verdient, der sich auch frei mit „Schrotti“ übersetzten lässt. Jeden Tag steht der 47-Jährige, drahtige Mann um 5.30 Uhr auf, um sich dann oft zwölf Stunden am Stück dem Sammeln von Metall-Abfällen hinzugeben.

In einem Radius von 100 Kilometern rund um Pittsburgh räumt er alles ab, was sich an Schrott finden lässt. Ob Kupferrohre oder alte Metall-Regale aus Einkaufszentren – wo immer etwas ausrangiert wird, ist Dourlain zur Stelle. „Ich bin zwar nicht der Hellste,“ sagt er, „aber mit meinen Metallen kenn’ ich mich aus.“ Das Wissen dürfte sich weiterhin bezahlt machen, vor allem seit dem sich die Ankaufspreise für Schrott im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt haben. Dourlain schätzt, dass er in diesem Jahr mindestens 60000 Dollar (49500 Euro) verdienen wird. Er legte sich ein neues Handy und Kabelfernsehen zu und plant, seine Freundin im Sommer zu einem Kurzurlaub nach Las Vegas einzuladen.

In den 70er Jahren hatte Dourlain die Schule hingeschmissen und half lieber seinem Vater beim Sandstrahlen und Anstreichen von Wassertürmen. Nach einer kurzen Karriere als Dachdecker kaufte er sich einen Lastwagen und begann mit dem Schrottsammeln. Bald hatte er sich den Respekt der Schrotthändler verdient, die ihn immer wieder anriefen, wenn sie eine Ladung Altmetall brauchten. Inzwischen verteilt er Visitenkarten, pflegt einen Ordner voll mit Kontaktadressen und hat ein Formular entwickelt, mit dem er sich jedes Mal das Einverständnis zum Abholen von Metallresten quittieren lässt. So weist er nach, dass er zum Einsammeln der Reste berechtigt ist. Das schützt ihn nicht nur vor der Polizei, sondern auch vor anderen Schrottsammlern, die bei Streitigkeiten über Fundstücke auch gelegentlich die Fäuste sprechen lassen. „Ein paar Mal bin ich schon verprügelt worden“, sagt Dourlain.

Schrott statt Jura

Das Wachstum der chinesischen Stahlindustrie ließ auch in den USA den Bedarf an Altmetallen ansteigen und trieb die Preise in die Höhe. Trotzdem haben es die Schrottsammler schwer, Abnehmer für ihr Sammelgut zu finden. Durch den Rückgang der US-Stahlindustrie musste in den vergangenen zehn Jahren jeder dritte Schrotthandel schließen. Viele der verbleibenden Annahme-Stellen verweigern sich den hausierenden Restesammlern. Ein Schrotthändler aus Pittsburgh sagt, die alten Sammler waren noch ehrliche Arbeiter, die ihren Dollar schwer verdienten. Heutzutage gäbe es „nur noch Vagabunden“.

Randy Castriota, Besitzer eines Altmetall-Marktes und einst selbst Schrottsammler, hat dagegen kein Problem mit den Schrott-Hausierern. Von Leuten wie Dourlain bezieht er 70 Prozent seines Altmetalls. In den 50er Jahren fuhr er mit seinem Vater durch die Gegend und besserte sich mit dem Schrottsammeln sein Taschengeld auf. Auch sein Politik-Studium finanzierte er sich nach den Vorlesungen und am Wochenende mit dem Sammeln von Schrott. Vor 18 Jahren eröffnete er sein eigenes Unternehmen Castriota Metals und ließ das eigentlich geplante Jura-Studium sausen. Heute stehen 500 seiner Sammel-Container auf den Baustellen rund um Pittsburgh. Die Reste werden von seinen Arbeitern sortiert, verarbeitet und verkauft. Noch in diesem Sommer wird Castriota für 700000 Dollar eine zweite Sortieranlage eröffnen.

Auf Grund der Preissteigerungen liefern die Schrottsammler jetzt 20 Prozent mehr ab. Besonders große Nachfrage herrscht bei Edelmetallen. Dourlain sagt, dass er für einen alten Auto-Katalysator 30 Dollar verlangen kann. Gleiches gilt für Silber. Die Unze kostet in diesem Monat an der Rohstoff-Börse acht Dollar, während sie im letzten April noch für 4,49 Dollar zu haben war. Michael Di Rienzo, geschäftsführender Direktor des Silber-Instituts in Washington verweist auf den gestiegenen Silber-Bedarf der Industrie und darauf, dass Investoren bei Terrorangst und Dollarschwäche verstärkt in Edelmetalle investieren: „Edelmetalle eignen sich immer mehr zur Ergänzung des Portfolios.“

Nur wenige schaffen es, vom Schrottsammeln zu leben. Das Geschäft ist schmutzig, schwer und kann gefährlich sein. Dourlain ist im vergangenen Jahr auf dem rechten Auge erblindet, als ihm beim Absägen eines Rohres Eisenspäne in die Augen geflogen sind. Jetzt kann er seinen Lkw nicht mehr selbst steuern. Als Fahrer hat er Eric Walsbacher engagiert. Der 32-Jährige ist eigentlich Bauarbeiter, doch beim Schrottsammeln verdient er mehr. „Man muss immer dort sein, wo das Geld liegt“, sagt Walsbacher, während er eine schrottreife Wachmaschine vom Lkw in den Container einer Schrott-Sammelstelle hievt. In den vergangenen Monaten hat er täglich 200 Dollar verdient – weit mehr als er bei zwölf Dollar pro Stunde auf dem Bau eingenommen hätte. Erst kürzlich sind die beiden Männer mit einer Lkw-Ladung ausrangierter Küchenherde, Klimaanlagen und Eisenregalen bei Castriota Metals vorgefahren. Von dort wird das Altmetall an größere Schrotthändler oder direkt an Metallbetriebe in China verkauft.

Während Walsbacher die Ladefläche leert, trennt Dourlain mit Hammer und Brecheisen die Edelstahl-Platte vom Aluminium-Gestell einer Werkbank. Die Arbeit lohnt sich: Durch die Trennung der Metalle verdient er pro Stück 25 Dollar statt nur zwei. Doch sobald die Ladung auf der Waage liegt, wird Dourlain ungeduldig und besteht darauf, dass der Behälter neu gewogen wird. „Ich muss immer aufpassen“, sagt er. Auch an der Kasse tanzt er nervös von einem Bein aufs andere und beschuldigt den Händler, er würde ihn beim Aluminium um fünf Dollar prellen. „Ich weiß genau, was hier läuft“, sagt Dourlain anklagend. Nach dreimaligem Nachrechnen gibt ihm der Kassierer die fünf Dollar.

Kampf um jeden Cent

Die Schrottsammler, sagt der Mann, kämpfen um jeden Cent. Das war bereits so, als man gerade ein Cent pro Pfund Schrott bezahlte. Mit Ankaufspreisen von 47 Cent für das Pfund Aluminium bis zu einem Dollar für ein Pfund Kupfer sind die Sammler heute wachsamer denn je. Dourlain träumt davon, eines Tages seinen eigenen Schotthandel aufzumachen. Doch bis dahin wird er mit zänkischen Kassierern um Gewichte und Preise feilschen. Er ist stolz auf seine Arbeit und wünschte, die Leute würden sie mehr schätzen. „Ich versuche, den Menschen mehr übers Recycling von Metallen beizubringen, doch die meisten wollen gar nichts lernen.“

Paul Glader

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