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Wirtschaft: Reif für die Insel

Warum immer mehr deutsche Kleinfirmen ihren Sitz nach England verlegen

London Ob Handwerker, Pizzaservice oder Internetbude – deutsche Kleinfirmen entdecken die britische Insel. Nicht als Markt, sondern als juristisches Schlupfloch. Denn immer mehr Betriebe wählen die britische Rechtsform einer Limited (Ltd). Sie ähnelt der deutschen GmbH, ist aber schnell, günstig und ohne Stammkapital zu haben. Beim zentralen Firmenregister in Cardiff kann man sich seit Monaten vor Anmeldungen aus München, Erfurt oder Luckenwalde kaum retten. Erstmals seit dem Krieg führen die Deutschen sogar die Liste der Neueintragungen beim englischen Handelsregister an, ein Platz, der bisher immer den Amerikanern gehörte.

Christiane Wotzkas Medien- und Veranstaltungsagentur trägt schon seit längerem das Kürzel „Ltd.“. Weil es „cooler klingt“ als etwa Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), sagt sie. Und vor allem, weil sie so die in Deutschland fällige Stammeinlage von 25000 Euro vermieden hat. „Das Kapital hätte uns im laufenden Geschäft gefehlt“, sagt PR-Chefin Wotzkas. Sie wollte lieber investieren und verlegte so kurzerhand den Firmensitz von Berlin zu einer Briefkastenadresse in London. Bei der dortigen deutsch-britischen Kammer treffen derzeit im Schnitt fünf Anfragen pro Tag ein. Früher sei es vielleicht mal eine im Monat gewesen“, sagt Angelika Baumgarte, Leiterin der Rechtsabteilung.

Früher – das war, bevor der Europäische Gerichtshof (EuGH) Ende 2002 den Deutschen auferlegte, auch Unternehmensformen aus dem Ausland ohne jede Einschränkung anerkennen zu müssen. Selbst dann, wenn die Firma – wie die Berliner Agentur Wotzka & Partner – nur eine Adresse und keine Umsätze außerhalb Deutschlands hat. in England hat die Entscheidung der Luxemburger Richter eine Limited-Lawine ausgelöst. Und jetzt gibt es sogar Dienstleister, die Rund-umsorglos-Limited-Pakete anbieten, meist über das Internet. Organisiert wird der Eintrag, eine Adresse, falls nötig, auch der Schriftführer. Die Kosten dafür liegen in der Regel für das erste Jahr zwischen 500 und 1500 Euro. Juristen wie Baumgarte warnen bereits vor unseriösen Anbietern. Oft werde die Illusion geschürt, man spare viel Geld und nach dem Eintrag sei alles geregelt. „Oft kommen die Firmen aber vom Regen in die Traufe“, sagt Expertin Baumgarte. Etwa wenn es um den Jahresabschluss oder die Frage der Besteuerung gehe. Zwar sei der Start als Pizza- oder Schlüsseldienst in England leichter, sagt Stephen Bruck, der bei der Londoner Beratungsfirma Blick Rothenberg überwiegend deutsche Firmen betreut. Dass aber danach die Regelungen viel härter gehandhabt würden, sage man den „Auswanderern“ nur selten. Wer auf der Insel nicht pünktlich den Jahresabschluss vorlegt, der bekommt schnell Tausende von Pfund an Strafe aufgebrummt. „Und dann ist er sehr schnell wieder aus dem Register gelöscht“, so Bruckner. PR-Chefin Wotzka empfindet diesen Druck jedoch als Vorteil. Nur so würden die ernst gemeinten Limited überleben. Wotzka hat übrigens inzwischen noch eine Firma gegründet – die berät Geschäftsleute, die eine Limited gründen wollen.and/HB

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