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Rügen

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Reisen: Gruß aus der Heimat

Die Reiseweltmeister verbringen die Ferien bevorzugt in Deutschland. Wie die hiesige Tourismusbranche von steigenden Preisen und dem Klimawandel profitiert.

„Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ Immer mehr Deutsche scheinen den Worten Goethes zu folgen und verbringen ihre Ferien im eigenen Land. Wer mag es ihnen verdenken, immerhin ist die Auswahl groß zwischen den Küsten von Nord- und Ostsee und den bayerischen Alpen. Doch so mancher bleibt auch gleich ganz zu Hause – und urlaubt auf dem Balkon. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig – sie reichen vom besseren deutschen Angebot über ein stärkeres Umweltbewusstsein bis zu höheren Reise- und Lebenshaltungskosten. Doch Fakt ist: Die hiesige Tourismuswirtschaft kann davon profitieren.

Dass Deutschland im Trend liegt, zeigen die Zahlen: Einer Umfrage des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) und des Städteportals Meinestadt.de zufolge wollen 72,4 Prozent der Befragten ihren Sommerurlaub im Inland verbringen. Das sind 6,8 Prozent mehr als bei der letzten Umfrage im Sommer 2006, dem Jahr der Fußball-WM. Mit 42,7 Prozent bleibt die größte Gruppe der 6100 Befragten zu Hause; knapp ein Drittel steuert inländische Urlaubsziele an. Am beliebtesten ist dabei – Tendenz steigend – die Ostsee, gefolgt von der Nordsee und den Bergen. Ins Ausland zieht es mit 27,6 Prozent sieben Prozent weniger als noch im Jahr 2006.

Diese Tendenz bestätigt das Statistische Bundesamt auch für das Frühjahr 2008. Demnach haben von Januar bis Mai dieses Jahres die Übernachtungen deutscher Urlauber im Inland gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent zugenommen.

Einen Grund für die Sommerurlaubspläne in der Heimat sehen Experten in den hohen Kosten der Verbraucher. „Der allgemeine Anstieg der Preise für Lebensmittel und Energie spielt bei der Reiseplanung eine Rolle“, sagt Nicole Habrich vom DTV. Elisabeth Fischer vom Lehrstuhl Tourismus der Katholischen UniversitätEichstätt kann da nur zustimmen: „Wir beobachten, dass die Leute nicht mehr so oft in Urlaub fahren und häufiger in Deutschland verreisen.“ Mit dem hohen Ölpreis haben sich vor allem lange Autofahrten und das Fliegen verteuert. So sind etwa wirkliche Schnäppchenangebote bei Billigfliegern bereits deutlich weniger geworden.

Bei der Wahl des Verkehrsmittels findet ein Umdenken statt. „Es ist deutlich zu merken, dass die Nachfrage nach unseren Angeboten für Reisende zunimmt“, sagt Deutsche-Bahn-Sprecher Holger Auferkamp. So seien die Fahrgastzahlen der Bahn im Fern- und Nahverkehr in den ersten vier Monaten 2008 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 20 Millionen auf insgesamt 888 Millionen gestiegen – obwohl auch das Bahnfahren teurer geworden ist. Jedoch wurden im vergangenen Jahr noch rund drei Viertel der Urlaubsfahrten innerhalb Deutschlands im Auto zurückgelegt. Nur etwa jede zehnte Reise fand mit der Bahn oder dem Bus statt, wie aus einer Studie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen hervorgeht.

Mit einem wachsenden Bewusstsein für den Klimaschutz alleine lässt sich die Heimatliebe der Reisenden jedenfalls nicht erklären – zumindest noch nicht. „Es ist eine Sache, über den Klimawandel zu sprechen, und eine andere, sein Reiseverhalten entsprechend zu ändern. Auch wenn das Bewusstsein dafür sehr wohl vorhanden ist: Wenn Sie einmal im Leben nach Australien reisen wollen, dann reisen Sie“, sagt Nicole Habrich vom DTV.

Doch das werde sich mittelfristig ändern, prognostiziert Tourismusexpertin Fischer. „Bei den Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus stehen wir erst am Anfang einer neuen Entwicklung, von der Deutschland insgesamt profitieren kann.“ Bisher lebe die Branche allerdings noch mehr davon, dass die Deutschen Reiseweltmeister seien, als davon, dass viele bewusst hierzulande urlaubten. Dabei gebe es bereits Ansätze, die Menschen mit regionalen Angeboten im Inland zu halten.

Dass Deutschland als Reiseziel stärker angenommen wird, hat denn auch positive Gründe. Die Auswahl in den Reisebüros sei größer und vielfältiger geworden, weiß Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband. „Städtereisen und Wellness sind in – da hat Deutschland viel zu bieten.“ Ganz zu schweigen vom Vorteil der kurzen Anreise sowie fehlenden Sprachbarrieren. „Der Trend der letzten fünf bis zehn Jahre geht in Richtung Wellness und Aktivitäten“, sagt auch Fischer. Immer mehr Menschen pflegen im Urlaub ihre Gesundheit, gerade in der Altersgruppe ab 40 aufwärts. Deshalb erleben etwa die Kurorte eine Renaissance.“

An diesem Kuchen wollen viele teilhaben – so hat etwa Rostock-Warnemünde die Gesundheitswirtschaft als Wachstumsbranche entdeckt. Zu recht: „Gesundheitsorientierter Urlaub ist ein Wachstumssegment und liegt im Vorjahresvergleich stark im Plus“, berichtet Petra Hedorfer, Chefin der Deutschen Zentrale für Tourismus. Um dieses Marktpotenzial zu nutzen, müssten die Regionen allerdings ein qualitativ sehr hochwertiges Angebot stellen. Denn gerade diese Klientel ist anspruchsvoll. mit jul

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