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Wirtschaft: Renaissance der Pfandleiher

Wenn die Bank die Kredite sperrt, wird der Familienschmuck versetzt – zu horrenden Kosten

Von solchen Wachstumsraten können die meisten Branchen nur träumen: Um elf Prozent legte der Umsatz der deutschen Pfandleiher im vergangenen Jahr zu. 1,1 Millionen Deutsche verpfändeten 2,1 Millionen Schmuckstücke, Autos, Videorecorder oder andere Produkte im Wert von rund 440 Millionen Euro.

Warum das jahrhundertealte Prinzip „Geld gegen Pfand“ derzeit boomt, ist für Joachim Struck, Vorsitzender des Zentralverbandes des Deutschen Pfandkreditgewerbes, vor allem mit dem „restriktiven Kreditverhalten“ der Geldhäuser zu erklären. „80 Prozent der Kontoinhaber haben ihre Dispokredite bis zum Limit ausgeschöpft“, sagt Struck. Und wenn die Banken den Geldhahn zudrehen, müssen sich die Menschen eben etwas anderes einfallen lassen. Also kramen sie ihren Familienschmuck aus der Schatulle hervor und tragen ihn ins Pfandhaus. 90 Prozent der verpfändeten Gegenstände sind Schmuckstücke, nur ein kleiner Teil sind technische Geräte. Im Osten ist dies allerdings umgekehrt. Dort verpfänden die Kunden zu 80 Prozent Technik. „In ostdeutschen Haushalten gibt es einfach noch immer zu wenig entbehrliche Dinge, die ohne Verlust an Lebensqualität im Leihhaus deponiert werden könnten.“

Dies sei auch einer der Gründe, warum es im gesamten Osten Deutschlands nur acht Pfandleihhäuser gibt, während allein in Westberlin 21 existieren. Die Ostdeutschen wollten meist ihre alten Digitalkameras, Videorekorder, DVD-Player oder Handys verpfänden. Aber weil die Geräte schnell veralten und damit an Wert verlieren, müssen die Leihhäuser die Leute wieder nach Hause schicken. Im besten Falle erhalten die klammen Kunden kleine Beträge. Große Summen sind im Pfandkreditgeschäft aber sowieso eher die Ausnahme. Die durchschnittliche Kredithöhe liegt bei gut 200 Euro.

Nicht nur Privatleute geben ihre Schätze weg. Mittlerweile haben auch Unternehmer und Selbstständige das Leihhaus entdeckt. „Wegen der schlechten Zahlungsmoral stehen viele kleine Unternehmen, vor allem Handwerksbetriebe, mit dem Rücken zur Wand“, sagt Struck. „Wenn dann die Banken nicht helfen, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als zu uns zu kommen.“ Selbst wenn die Kreditinstitute sich verhandlungsbereit zeigen, dauert es in vielen Fällen zu lange, bis die Auszahlung bewilligt wird. Im Leihhaus hingegen hält der Kreditsuchende noch am gleichen Tag ein Bündel Scheine in der Hand – und das ohne Verdienstnachweis, ohne Selbstauskunft und ohne Schufa-Eintrag. Billig ist diese Art der Finanzierung allerdings nicht: Pro Monat fällt ein Prozent Zinsen an. Dazu kommen noch zwischen 2,5 und drei Prozent Gebühren pro Monat. Hochgerechnet auf ein Jahr, müsste der Kreditnehmer stolze 48 Prozent berappen. höl

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