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Der erste produzierte Lada weckt Erinnerungen.

© promo

Renault: Der Lada kommt wieder

Die russische Kultmarke mit italienischen Wurzeln gehört jetzt zu Renault und wird peu à peu für den Markt modernisiert.

Auf dem Stoleschnikow Pereulok, der teuersten Einkaufsstraße Moskaus, treffen sich BMW-Limousinen, Mercedes-SUVs und Porsche im Dauerstau. Westlicher Luxus liegt nicht nur in den Auslagen von Gucci, Armani und Co., sondern fährt auch auf dem Asphalt. Bei dem Protz und Prunk ist es kaum zu glauben, dass die meistverkaufte Automarke in Russland immer noch Lada heißt. Die Objekte einstiger Sehnsucht findet man anderswo im Riesenreich. Draußen auf dem Land, in den gigantischen Weiten mit elf Zeitzonen, ist Lada zu Hause.

Renault hat gerade bei Lada das Lenkrad übernommen, die ur-russische Marke mit italienischen Wurzeln ist jetzt ebenso wie Nissan, Dacia und Mitsubishi Teil der Familie mit der Raute. Das bedeutet: Lada ist wieder bereit zum Sprung über die russische Grenze. Vielleicht sogar auch wieder in den „Westen“ wie einst ab den Siebzigern. Damals war das erste Lada-Modell, ein Nachbau des legendären Fiat 124, auf beiden Seiten der Mauer begehrt. Im Westen dank des Preises von unter 7000 Mark, im Osten wegen der endlosen Lieferfristen. Der Lada war der Dienstwagen der Vopo, der höheren Funktionäre und der verdienten Genossen, bei denen es für einen Wolga nicht reichte. Nach der Wende geriet die Kultmarke ebenso wie Trabbi und Wartburg ins Abseits.

Neuer Chef

Seit Juni ist Yves Caracatzanis (54) der neue Chef bei Lada. Renault hat den Franzosen von der anderen Tochtermarke Dacia aus Rumänien nach Russland beordert, um die Sanierung des russischen Sorgenkindes voranzutreiben. „Wir sehen, dass unsere traditionellen Kunden zurück zu Lada finden“, sagt er. „Nicht nur in Russland, sondern auch in den anderen Staaten der früheren Sowjetunion wie Turkmenistan oder Kirgisistan.“

Moderne Produktionstechnik hat in den beiden Werken Einzug gehalten, auf den Lada-Bändern entstehen jetzt auch Autos von Renault oder Nissan, die Lada werden moderner wie der Vesta oder das SUV X-Ray. Zwar ist das Design nach westlichem Maßstab immer noch altbacken, aber die Neuzeit hat in Form von Internetvernetzung und Assistenzsystemen auch in die Ladas gefunden.

Ortstermin in Togliatti, einer 700 000- Einwohner-Stadt am Ufer der Wolga. Zum ersten Mal hatte Lada vor 38 Jahren westliche Besucher dorthin eingeladen. Eine Autostadt nach Wolfsburg-Art, die vom Lada-Werk beherrscht wurde. Die Moskauer Regierung unter dem damaligen Staatschef Leonid Breschnew hatte gut 15 Jahre zuvor mit dem damaligen Fiat-Eigner und Vorzeigekapitalisten Gianni Agnelli einen Vertrag geschlossen. Fiat sollte beim Aufbau einer Autoproduktion helfen und vor Ort sein Erfolgsmodell 124 produzieren.

Dazu waren Tausende von Arbeitskräften nötig. Die Einwohnerzahl der kleinen Stadt wuchs von rund 62 000 im Jahr 1960 auf mehr als eine halbe Millionen zwanzig Jahre später. Doch die Infrastruktur, wie Restaurants, Theater oder Sportstätten, wuchs nicht mit. Der damalige Direktor berichtete, dass er vor allem am Montag auf die Hälfte seiner Arbeiter verzichten musste, weil die am Wochenende den Frust über die städtische Tristesse mit Wodka bekämpft hatten.

Togliatti ist heute im Vergleich zum 1000 Kilometer entfernten Moskau immer noch eine andere Welt. Lada-Modelle beherrschen zu 80 Prozent das Straßenbild zwischen den Plattenbauten. Immerhin gibt es inzwischen Geschäfte, Einkaufszentren, Kinos und Parkanlagen. Und für den Seelenfrieden die neu erbaute, 62 Meter hohe Verklärungskathedrale mit fünf goldglänzenden Kuppeln. Bauherr und Geldgeber war natürlich Lada. Der neue Hausherr und Mehrheitseigner Renault bleibt außerhalb der Werksmauern nahezu unsichtbar. Die Topmanager aus Frankreich wohnen in einem feinen Hotel an der Wolga, das während der Fußball-WM von der Schweizer Mannschaft belegt wurde.

Vom westlichen Flair der Hauptstadt ist Togliatti, benannt nach einem früheren italienischen KP-Chef, noch weit entfernt. Lada-Pioniere schmunzeln heute noch über einen Treppenwitz der Geschichte: Ausgerechnet Palmiro Togliatti hatte in den zwanziger Jahren in Italien einen Streik organisiert, der den mächtigen Fiat-Konzern an den Rand des Bankrotts trieb.

Lada-Chef Yves Caracatzanis ist oft in diesem größten Autowerk Russlands. Er spricht von Fortschritten bei Qualität und Effizienz, einer engagierten Mannschaft und von großen Zielen. Jedes fünfte in Russland verkaufte Auto soll bald ein Lada sein. Gebaut von durch Renault-Profis geschulten Arbeitern und Robotern, deren Zahl aber im Vergleich zu modernen Werken von Japanern und Deutschen eher gering ist.

Mitglied der Renault-Familie

Die Marke Lada soll nun auch wieder in anderen Ländern Präsenz zeigen. Derzeit werden nämlich nur rund 25 000 der gut 500 000 jährlich gebauten Fahrzeuge exportiert. Meist in die erwähnten Nachbarländer. Im Fokus stehen jetzt noch asiatische Länder mit Nachholbedarf an automobiler Motorisierung. Und Deutschland? Caracatzanis weicht dieser Frage nicht aus und gewährt tiefe Einblicke in die noch nicht gelösten Aufgaben: „Wir haben vor allem ein Problem mit den Motoren. Die sind zwar modern und sparsam, genügen aber nicht den strengen Zulassungs- und Abgasvorschriften der EU“. Eine Umrüstung würde demnach mehr kosten als der Export der heutigen Lada-Modelle möglicherweise in die Kasse spülen könnte.

Der neue Chef nennt einen weiteren Aspekt: „Lada ist ebenso wie Dacia ein Mitglied der Renault-Familie. Und in Westeuropa bilden Dacia-Modelle den Einstieg in das günstige Preissegment ab rund 10 000 Euro. Da hat Lada keinen Platz - im Moment jedenfalls nicht“.

Caracatzanis lässt sich aber ein Hintertürchen offen und verweist auf die Studie eines modernen SUV, die jetzt auf der Moskauer Autoausstellung Premiere hatte. „Mit so einem Auto, das keinem Dacia-Modell in die Quere kommt und die EU-Regeln einhält, könnten wir eine Nische besetzen und die Marke Lada zum Beispiel auch in Deutschland am Leben erhalten“.

Dabei lebt die Marke derzeit immer noch, wenn auch auf Sparflamme. Ein privater Importeur aus Hamburg bietet seit Jahren mehrere aktuelle Modelle an. Da es nur um kleine Stückzahlen geht, greifen die EU-Normen nur bedingt. Und so trägt das billigste Auto in Deutschland das Lada-Logo: Der Lada Kalina, ein 3,90 Meter langer Fünfsitzer im Polo-Format mit einem 87 PS Vierzylinder-Benziner unter der Haube, kostet 7460 Euro. Und auch der immer noch gebaute Allrad-Klassiker „4x4“ (früher Lada Niva) ist schon ab 11 090 Euro zu haben.

Peter Maahn

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