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Wirtschaft: Renten könnten 2006 erstmals sinken

Schlechte Wirtschaftslage sorgt für neue Finanzlöcher in den Sozialkassen – Experten fürchten Defizit von drei Milliarden Euro

Berlin Für die Rentner in Deutschland wird eine Nullrunde oder sogar eine Absenkung ihrer Bezüge im kommenden Jahr immer wahrscheinlicher. Rentenexperten und Politiker nannten am Sonnabend einen solchen Schritt unvermeidlich. Das Bundessozialministerium bezeichnete entsprechende Überlegungen dagegen als „Spekulation“ und warnte vor einer Verunsicherung der Rentner.

Bereits in diesem Jahr wird es eine Nullrunde für die 19 Millionen Ruheständler geben. Schuld daran sind die Löhne und Gehälter der Beschäftigten in Deutschland, an denen sich die Entwicklung der Altersbezüge orientiert. Im vergangenen Jahr waren sie nur um 0,12 Prozent gestiegen. Aufgrund der Rentenformel hätte sich rechnerisch bereits daraus eigentlich eine Rentenkürzung ergeben müssen (siehe Kasten). Seit Jahresbeginn haben sich die Renten-Einnahmen wegen des weiterhin schwachen Wachstums erneut schlechter entwickelt als geplant.

Im Wahljahr 2006 könnte es indes erstmals seit Gründung der Bundesrepublik zu einer Kürzung der Renten kommen. „Sollten sich Befürchtungen realisieren, dass die Lohnentwicklung negativ verläuft, hätte dies Auswirkungen auf die Anpassung 2006“, sagte Franz Ruland, Direktor des Verbandes der Rentenversicherungsträger (VdR), dem Magazin „Der Spiegel“. Zustimmung erhielt er von Wolfgang Franz, Mitglied im Rat der Wirtschaftsweisen. „Bei der schlechten Finanzlage der Rentenkassen ist eine Kürzung auf jeden Fall besser als eine Erhöhung der Beiträge. Denn ein solcher Schritt würde weitere Arbeitsplätze kosten“, sagte er dieser Zeitung. Vor kurzem hatte bereits Bert Rürup, der Chef der Wirtschaftsweisen, eine Rentenkürzung gefordert. Ohne eine Senkung könne das Ziel der Regierung, den Beitragssatz bis 2020 auf 20 Prozent und bis 2030 auf 22 zu begrenzen, nicht erreicht werden.

Der sozialpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Andreas Storm, hält eine Rentenkürzung indes noch nicht für ausgemacht. Zunächst müsse man die Entwicklung der Löhne und Gehälter in diesem Jahr abwarten, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. „Eine erneute Nullrunde ist wegen der schlechten Arbeitsmarktlage aber programmiert“, erklärte er. Die Regierung stehe in der Rentenpolitik vor einem Scherbenhaufen. „Die Rentenversicherung steuert auf die größte Krise ihrer Geschichte zu, es ist bereits klar, dass in diesem Jahr zwei bis drei Milliarden Euro in den Kassen fehlen werden“, prognostizierte er. In diesem Fall blieben die Erhöhung der Rentenbeiträge oder ein höherer Zuschuss aus der Bundeskasse als Alternativen. „Nach der Bundestagswahl wird es daher die nächste große Reform geben.“

Nach Informationen des „Spiegel“ prüft Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) bereits, wie die Lage der Rentenkassen aufgebessert werden kann. So solle der Steuerzuschuss um 1,7 Milliarden Euro angehoben werden, indem der Bund mehr versicherungsfremde Leistungen übernimmt. Zudem soll die Schwankungsreserve von 20 Prozent auf zehn Prozent einer Monatsausgabe abgesenkt werden. Eine Sprecherin des Sozialministeriums sagte, dies sei „erfunden“. brö/dpa

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