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Wirtschaft: Rentenbeitrag steigt vermutlich über 19,3 Prozent

Einnahmen der Versicherer stagnieren wegen hoher Arbeitslosigkeit / Absenken der Finanzreserve ist ein Risiko

Berlin (ce). Die Rentenversicherer haben vorsichtige Zweifel daran geäußert, dass die Bundesregierung den Anstieg der Rentenbeiträge von derzeit 19,1 auf 19,3 Prozent im kommenden Jahr begrenzen kann. Mit den jetzt vorgesehenen Maßnahmen werde sich der angepeilte Satz „gegebenenfalls halten lassen“, sagte eine Sprecherin des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) am Dienstag. In welcher Größenordnung der Beitragssatz erhöht werden müsse, könne erst zu Beginn des kommenden Monats festgelegt werden, sagte VDRVorstandschef Jürgen Husmann am Dienstag bei einer Mitgliederversammlung in Darmstadt. Der Satz wird Anfang November von einem Schätzerkreis festgelegt, in dem Rentenversicherer und das Arbeitsministerium vertreten sind. Doch bereits für das laufende Jahr liege der Beitragssatz um 0,3 Prozentpunkte zu niedrig, mahnte Husmann. In den ersten neun Monaten sind die Beitragseinnahmen in die Rentenversicherung nur um knapp 0,5 Prozent gestiegen. Um den Beitragssatz stabil zu halten, wäre ein Wachstum von mehr als fünf Prozent notwendig gewesen.

Wegen der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit fehlen den Rentenkassen Einnahmen, mit denen die Versicherer noch zu Zeiten günstigerer Wachstumsprognosen gerechnet hatten. Auch die private Riester-Rente wirkt sich nach Angaben des VDR negativ auf die Einnahmen der gesetzlichen Rentenkassen aus. Arbeitnehmer können für ihre zusätzliche private Altersvorsorge einen Teil ihres Gehalts umwandeln – und zwar beitragsfrei. Versicherungen rechnen damit, dass viele Arbeitnehmer zum Ende des Jahres noch die Gelegenheit nutzen, ihr Weihnachtsgeld in die Privatrente zu investieren. Damit würden den gesetzlichen Rentenversicherungen weitere Einnahmen fehlen. Auch die Tarifsteigerungen in diesem Jahr machen sich nicht in dem Umfang bemerkbar, wie sich das die Rentenversicherer erhofft hatten.

Es sei unstrittig, dass „bei Fortgeltung des derzeitigen Rechts selbst ein Beitragssatz von 19,5 Prozent nicht ausreichen wird“, sagte VDR-Chef Husmann. Den angespannten Rentenkassen helfen auch nicht die Milliarden-Beträge aus der Ökosteuer, welche sie finanziell entlasten sollen.

Die Bundesregierung will deshalb spätestens Anfang 2003 gegensteuern. Der Aufschwung dürfe nicht durch höhere Lohnnebenkosten gefährdet werden, heißt es im Arbeitsministerium. Deshalb müsse das Ziel sein, die Beitragssätze so niedrig wie möglich zu halten. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne als Ziel formuliert: „Wir halten fest an der Zielsetzung der Begrenzung und Stabilisierung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Rentenversicherung“. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering hatte eine konkrete Marke vorgegeben: „nicht mehr als 19,3 Prozent“. Noch vor den Bundestagswahlen hatte der damalige Generalsekretär sogar angekündigt, die Beitragssätze würden gar nicht steigen.

Zum einen wollen die Koalitionspartner zur Stabilisierung der Rentenbeiträge die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung von derzeit 4500 auf 5100 Euro heraufsetzen – Besserverdienende müssen also höhere Beiträge zahlen. Nach Berechnungen des VDR könnte das den Anstieg um 0,1 Prozentpunkte bremsen. Zum zweiten wollen SPD und Grüne die Notreserve der Rentenversicherung antasten, die so genannte Schwankungsreserve. Dieses Finanzpolster federt die jahreszeitlichen Schwankungen bei den Renteneinnahmen ab, damit die Renten pünktlich ausgezahlt werden können. Schon zu Beginn des Jahres hatte sich die Bundesregierung aus der Schwankungsreserve bedient, weil sonst ein Beitragsanstieg gedroht hätte. Statt einer kompletten Monatsausgabe sollen zum Jahresende nur noch 80 Prozent erreicht werden. Im Gespräch ist ein Absenken der Reserve auf 50 bis 60 Prozent. Das könnte weitere 0,3 Prozentpunkte bringen.

Diesen Plan kritisierte der VDR-Vorsitzende Husmann als Risiko. Damit kämen die Rentenversicherer bereits bei geringen Abweichungen in Zahlungsschwierigkeiten und müssten Darlehen aufnehmen. Dies dürfe nicht geschehen. Schon im Oktober 2002, dem Monat mit dem üblicherweise niedrigsten Stand der liquiden Mittel, seien nur noch 36 Prozent einer Monatsausgabe in der Kasse. Husmann appellierte an die Arbeitgeber – für die er im VDR-Vorstand sitzt – eine Anhebung des Beitragssatzes nicht grundsätzlich abzulehnen: „Natürlich werden dadurch die Lohnnebenkosten erhöht, aber jeder von uns muss daran interessiert sein, dass die Renten sicher bleiben.“

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