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Wirtschaft: Rentner im Osten sollen zahlen

Berliner Professor fordert Kürzungen für Ostdeutsche und löst in der Politik Empörung aus

Berlin (hej). Ostdeutsche Rentner sollten bei den nötigen Einschnitten in der gesetzlichen Rentenversicherung stärker zur Kasse gebeten werden als Rentner im Westen. „Wer weniger in die Rentenversicherung eingezahlt hat, sollte stärker belastet werden“, sagte HansPeter Schwintowski, Professor für Versicherungsrecht an der Berliner Humboldt-Universität, dem Tagesspiegel. Statt über Kürzungen für alle nachzudenken, sollte stärker differenziert werden: „Man muss auch einmal darüber nachdenken, wer wie viel in die Rentenkassen eingezahlt hat.“

Auf Skepsis stößt Schwintowski bei seinem Leipziger Kollegen Christoph Degenhart. Zwar seien beim Einigungsvertrag die DDR-Rentner gut weggekommen, meint der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Leipzig. Jedoch sei es verfassungsrechtlich kaum möglich, die laufenden Renten zu kürzen. Für verfassungsrechtlich problematisch hält der Leipziger Jurist aber das West-Ost-Gefälle bei Mini-Renten: „Während in den alten Ländern viele Frauen von ihrer Rente nicht leben können, gibt es dieses Problem in Ostdeutschland nicht in dem Maße.“ Dies sei aber Konsequenz der unzureichenden Berücksichtigung von Familienleistungen im Westen.

Obwohl in der DDR Arbeitnehmer nur bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark Rentenbeiträge zahlten, liegen die Ost-Renten heute – statistisch gesehen – über dem West-Niveau (siehe Grafik). Das liegt zum einen an den vielen Beitragsjahren, die Rentner im Osten aufweisen können. Um ihnen eine schnelle Angleichung der Lebensverhältnisse zu ermöglichen, haben die Ostdeutschen nach der Wende aber auch von außerplanmäßigen Rentenerhöhungen in beträchtlicher Höhe profitiert. Zudem werden ihre Arbeitseinkommen für die Rentenberechnung künstlich aufgewertet

Hinzu kommen Zusatzrenten aus der DDR-Zeit, die heute von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gezahlt werden. Diese beliefen sich im Jahr 2001 auf insgesamt 3,6 Milliarden Euro (1992: 669 Millionen Euro). Die „Zusatzsonderversorgung“ muss letztlich von den ostdeutschen Bundesländern aufgebracht werden. Diese zahlen das Geld an den Bund. Dort fließen die Milliarden dann in den Bundeszuschuss von rund 50 Milliarden Euro, den der Bund jährlich an die Rentenkassen für die Erledigung versicherungsfremder Leistungen zahlt.

In der Politik stößt der Vorschlag Schwintowskis auf Empörung. „Wir haben wenig Verständnis“, sagte eine Sprecherin des Bundessozialministeriums. Anders als die Rentner im Westen hätten die Ostdeutschen oft kaum Einkünfte außerhalb der gesetzlichen Rente.

Für einen „absurden Vorschlag“ hält auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Thea Dückert, den Vorstoß. „Wenn man anfängt, nach Regionen zu differenzieren, sprengt das die Solidarversicherung“, sagte Dückert. So sei in anderen Regionen Deutschlands die Zahl der Frührentner besonders hoch, was die Rentenkassen belaste. Eine regionale Betrachtung sei daher nicht sinnvoll, meint Dückert.

Auch der rentenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Heinrich Kolb, lehnt Schwintowskis Vorschlag ab: Belastungen sollten nicht auf eine Gruppe fokussiert werden, sagte Kolb. Zudem löse sich das Problem von selbst: „Im Jahr 2030 wird es keine ostdeutschen Rentner mehr geben, die keine Beiträge eingezahlt haben.“

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