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Wirtschaft: Riester-Gutscheine ein Flop

Eine der jüngsten arbeitsmarktpolitischen Reformen der Bundesregierung kommt nicht in Schwung. Mit der Ausgabe von Gutscheinen an Arbeitslose sollten private Firmen verstärkt in die Jobvermittlung einbezogen werden.

Eine der jüngsten arbeitsmarktpolitischen Reformen der Bundesregierung kommt nicht in Schwung. Mit der Ausgabe von Gutscheinen an Arbeitslose sollten private Firmen verstärkt in die Jobvermittlung einbezogen werden. Doch viele Private nehmen die Gutscheine nicht an, weil die Honorare zu gering sind. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen hatten entgegen den Plänen von Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) die Honorare auf maximal 2500 Euro beschränkt.

Zum Thema Online Spezial: Arbeit.los! Ende März feierten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Arbeitsminister Riester die Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen als "wichtigen Schritt zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit". Doch jetzt entpuppt sich die viel gelobte Vermittlungsoffensive als Sturm im Wasserglas. "Die Gutscheinregelung ist in einem enormen Tempo durchgedrückt worden, ohne die Marktgegebenheiten im privaten Vermittlungsgeschäft zu berücksichtigen", sagt Silke Schneider, Sprecherin des Bundesverbandes Personalvermittlung (BPV). Die erhoffte "Durchschlagskraft bleibt deshalb aus". Und auch beim Bundesarbeitsministerium gesteht man ein, dass derzeit in den Arbeitsämtern "Unsicherheit und Unklarheit" herrsche.

Seit dem 27. März können Arbeitslose, die mindestens drei Monate arbeitslos gemeldet sind, vom Arbeitsamt Gutscheine für eine private Arbeitsvermittlung erhalten. "Durch die Einbeziehung der privater Firmen hoffen wir, den ein oder anderen Arbeitslosen schneller wieder in Lohn und Brot zu bringen", sagt Eberhard Mann von der Bundesanstalt für Arbeit. Jetzt müssten die Privaten zeigen, was sie können.

Doch die halten sich zurück. "Für 2500 Euro wird sich keiner ein Bein ausreißen", sagt Dieter Paulmann, Vorstandsvorsitzender des Personaldienstleisters Dis AG. Viele privaten Arbeitsvermittler nehmen die Gutscheine erst gar nicht an. "Die Honorierung ist nicht adäquat", erklärt Verbandssprecherin Schneider. Schließlich müssten die Privaten ein völlig neues Geschäftsfeld bearbeiten. Denn klassische Personalvermittler suchen im Auftrag eines Arbeitgebers einen geeigneten Bewerber. Und das sei ein ganz anderes Geschäft, als für einen Arbeitslosen einen neuen Arbeitgeber zu finden. Der Personaldienstleister Adecco gehört zu den wenigen privaten Vermittlern, die die Gutscheine der Arbeitsämter annehmen. "Auch wenn die Bezahlung in keinem Verhältnis zum Vermittlungsaufwand steht", wie Sprecher Manfred Brücks betont. Die Berliner Adecco-Niederlassung hat bisher mehr als 20 Gutscheine erhalten.

Die arbeitlose Berlinerin Ulrike Propach ist mit ihrem Vermittlungsschein nicht weit gekommen: 15 Personalvermittler hat sie kontaktiert, doch nur ein Unternehmen zeigte überhaupt Interesse an ihren Unterlagen. Die studierte Soziologin ist seit acht Monaten auf Jobsuche. Bisher hat das Arbeitsamt Berlin Südwest ihr kein einziges Stellenangbeot vermittelt. Deshalb hoffte sie auf die Privaten. "An welche Privatvermittler ich mich wenden kann, konnte mir beim Arbeitsamt allerdings niemand sagen", erzählt sie. Da nütze der Gutschein dann auch nicht viel. Ähnlich erging es dem arbeitslosen Chemiker Friedrich Schreyer. Er solle doch in den Gelben Seiten nachschauen, hieß es beim Arbeitsamt Berlin Süd. "Wir dürfen aus Wettbewerbsgründen keine privaten Vermittler empfehlen", erklärt Klaus Pohl, Sprecher des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg, das Dilemma.

Wer überhaupt noch Empfehlungen aussprechen kann, ist ohnehin fraglich. Denn im Zuge der Reform der Arbeitsvermittlung und Arbeitsverwaltung ist die "Erlaubnispflicht" für private Arbeitsvermittler abgeschafft worden. Bisher benötigten private Vermittler für ihre Tätigkeit eine behördliche Genehmigung, die durch die Landesarbeitsämter erteilt wurde. "Mit der Abschaffung haben wir die Position der privaten Vermittler gestärkt und ermöglichen so mehr Wettbewerb", sagt Diether Restle, Referatsleiter beim Bundesarbeitsministerium.

Das sieht der Bundesverband Personalvermittlung anders. "Jetzt gibt es für die Branche keinerlei gesetzliche Qualitätskriterien mehr", bemängelt Schneider. Der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales sieht darin jedoch kein Problem. Mittelfristig würden die erfolgsabhängige Vergütung und der Wettbewerb dafür sorgen, dass sich nur seriöse Vermittler am Markt durchsetzen. "Jetzt aber steht schwarzen Schafen der Markt offen", befürchtet Landesarbeitsamt-Sprecher Pohl. Und das erschwere den Arbeitslosen mit Vermittlungsgutscheinen die Suche nach einem geeigneten privaten Personalvermittler.

Vermittlungsgutschein

Seit dem 27. März können die Arbeitsämter Vermittlungsgutscheine an Arbeitslose ausgeben. Damit können private Jobvermittler eingeschaltet und im Erfolgsfall bezahlt werden. Den Schein bekommt, wer Arbeitslosengeld oder -hilfe bezieht und seit mindesten drei Monaten ohne Anstellung ist. Der Gutscheinwert richtet sich nach der Dauer der Arbeitslosigkeit. Bei bis zu sechs Monaten Arbeitslosigkeit beträgt der Wert 1500 Euro, bei sechs bis neun Monaten 2000 Euro und bei über neun Monaten Arbeitslosigkeit 2500 Euro. Die drei Monate gültigen Gutscheine dürfen auch Teilnehmer von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Bei einer erfolgreichen Vermittlung erhält die beauftragte Firma 1000 Euro. Den Rest bekommt sie, wenn das Beschäftigungsverhältnis sechs Monate bestanden hat.

dro

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