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Wirtschaft: Riester will keine Debatte um Scheinselbständige

BERLIN/BONN (aho/uwe). Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) hat den Vorschlag abgelehnt, eine obligatorische Mindestabsicherung für Selbständige an Stelle der jetzt gültigen Definition von Scheinselbständigkeit einzuführen.

BERLIN/BONN (aho/uwe). Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) hat den Vorschlag abgelehnt, eine obligatorische Mindestabsicherung für Selbständige an Stelle der jetzt gültigen Definition von Scheinselbständigkeit einzuführen. "Es wäre hilfreich gewesen, diese Ideen zuerst in der SPD-Fraktion zu diskutieren, anstatt sie öffentlich zu machen", kritisierte Riester am Mittwoch in Bonn. Der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf (SPD), hätte seine Pläne besser in die Regierungskommission zur Scheinselbständigkeit eingebracht, anstatt sie zuerst öffentlich zu diskutieren.

Wie der Tagesspiegel berichtete, schlägt die Reformkommission Soziale Marktwirtschaft vor, statt eines Kriterienkatalogs für Selbständige eine obligatorische Pflichtversicherung für alle Selbständigen einzuführen. Gleichzeitig aber würde der Übergang in ein neues Rentensystem geschaffen. Art und Umfang der obligatorischen Vorsorge für das Alter sollen dabei offenbleiben, schlägt die Reformkommission vor. Klar sei, daß es sich nur um eine Mindestabsicherung handeln dürfe, die junge Unternehmer in der Gründungsphase nicht übermäßig belaste. Mosdorf, der sowohl der Reformkommission als auch der Arbeitsgruppe der Bundesregierung zur Überprüfung der Scheinselbständigkeit angehört, hat das Papier der Kommission mitgestaltet.

In Berlin forderte Mosdorf gestern eine neue Kultur der Selbständigkeit. Auf der Grundsatzkonferenz der von der Ludwig-Erhard-Stiftung, der Heinz Nixdorf Stiftung und der Bertelsmann Stiftung gegründeten Reformkommission Soziale Marktwirtschaft sagte Mosdorf, daß die Selbständigenquote in Deutschland erschreckend niedrig sei. Man sehe mit Sorge, daß der Anteil der Selbständigen an den Erwerbstätigen seit 1960 stetig zurückgegangen sei, sagte der Kommissionsvorsitzende und langjährige Bonner Wirtschaftsstaatssekretär Otto Schlecht. Die Selbständigenquote liege mit nur 9,9 Prozent weit unter dem Durchschnitt von 15 Prozent in der Europäischen Union.

Eine große Zahl neuer Arbeitsplätze könne in Deutschland aber nur dann entstehen, wenn es mehr Existenzgründer gebe. Aufgabe des Staates sei es, den jungen Unternehmen den Start zu erleichtern. Diese Rolle müsse der Staat endlich ausfüllen. Es bestehe erheblicher Renovierungsbedarf in zahlreichen Bereichen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dabei gehe es außer um die Optimierung des Förderangebots um grundsätzliche Weichenstellungen im Steuer- und Sozialrecht sowie im Insolvenz- und Unternehmensrecht. Neue Subventionen und Förderwege für lehnt die Reformkommission dagegen ab.

Die wichtigste Voraussetzung für Unternehmensgründungen sei eine große Steuerreform und dabei vor allem eine allgemeine Tarifsenkung sowie eine Vereinfachung des Steuerrechts. Dringender Reformbedarf bestehe im System der sozialen Sicherung, da die hierdurch verursachten hohen Personalkosten Unternehmensgründungen beeinträchtigten. Die Handwerksordnung und die Berufsordnungen in zahlreichen freien Berufen müßten dringend reformiert werden, um die Marktzutrittsbedingungen zu diesen Berufen zu flexibilisieren.

Schließlich hat die Reformkommission großen Handlungsbedarf für eine umfassenden Reform des Bildungssystems ausgemacht. Die Vermittlung solider ökonomischer Grundkenntnisse müsse Bestandteil der Allgemeinbildung werden. An den Hochschulen sollten Gründerlehrstühle und Gründerzentren eingerichtet werden.

Berichtigung: In unserer Dienstagsausgabe haben wir geschrieben, die Regierungskommission zur Scheinselbständigkeit werde von Kanzleramtsminister Bodo Hombach geleitet. Tatsache ist, daß die Arbeitsgruppe unter der Regie des Bundesarbeitsgerichtspräsidenten Thomas Dieterich tagt.

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