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© dpa

Robert Rademacher: "Ich glaube an intelligente Autokäufer"

Robert Rademacher, Präsident des Kraftfahrzeuggewerbes, spricht mit dem Tagesspiegel über zu hohe Rabatte und Händlernöte

Herr Rademacher, 2009 war dank Abwrackprämie ein Ausnahmejahr für die deutsche Kfz-Branche. Kommt 2010 das dicke Ende?

Es sind eine Million Autos mehr in Deutschland verkauft worden, als wir für 2009 vorausgesagt hatten. Die Prämie war eine unerwartet starke Vitaminspritze. Profitiert haben allerdings vor allem die Kleinwagenhersteller und -händler. Immerhin sind aber auch 400 000 Jahreswagen mit Prämie verkauft worden, darunter waren dann auch Mittel- oder Oberklassefahrzeuge. Für die deutschen Premiumhersteller kann 2010 nur besser werden.

Haben die Autohändler das vergangene Jahr genutzt, um sich für härtere Zeiten zu wappnen?

Wir haben als Verband bei jeder Gelegenheit gepredigt, dass die Händler kostenmäßig schlanker und kundennäher werden müssen. Aber wie das mit Predigten so ist – sie werden von den Gläubigen oft nicht befolgt. Dennoch: Viele Unternehmen haben etwas getan, so dass wir 2010 kein Horrorszenario erwarten müssen.

Erwartet wird ein Nachfrageeinbruch von 25 Prozent – ist das kein Horror?

Wir fallen 2010 dorthin zurück, wo wir ohne Abwrackprämie 2009 gewesen wären, schätzungsweise bei 2,8 Millionen Neuzulassungen. So gesehen erleben wir keinen Sturz ins Bodenlose.

Hatten die Autohändler überhaupt etwas von der Prämie? Oder waren die Hersteller und Kunden die Nutznießer?

Nutznießer waren die Kunden. Die Prämie ist zu 100 Prozent an sie weitergereicht worden. Und weil man schon mal dabei war, haben die Hersteller zusätzlich eigene Prämien vergeben, die ebenfalls an die Käufer durchgereicht wurden. Bei den Händlern ist also nur wenig hängen geblieben. Sie haben viele Kleinwagen verkauft und die Jahreswagenhalde abgebaut. Das hat immerhin geholfen.

Und die vielen kleinen Autowerkstätten haben nichts mehr zu tun, weil die alten Kisten in der Schrottpresse gelandet sind?

Das war eigentlich erwartet worden. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Auslastung der Werkstätten hat sich 2009 gegenüber dem Vorjahr sogar um 2,5 Prozent verbessert. Viele der zwei Millionen Altautobesitzer, die 2009 ihren Wagen verschrottet haben, waren keine Kunden einer Werkstatt, sondern haben vorher selbst geschraubt. Aber offenbar gab es genug Fahrzeuge mit einem Alter bis neun Jahre, die in die Werkstatt mussten.

Zurück zum Autohandel. Mehr als die Hälfte der rund 19 000 Autohäuser schreibt rote Zahlen …

Das war 2008 so. Im vergangenen Jahr dürfte es nicht mehr ganz die Hälfte gewesen sein.

Gleichwohl kalkulieren die Autohäuser mit extrem niedrigen Renditen. 2008 lagen sie im Schnitt sogar bei minus 0,6 Prozent. Hat sich das gebessert?

Wir haben noch keine genauen Zahlen, aber wir gehen davon aus, dass 2009 aus der roten Null eine schwarze Null geworden ist. Die Durchschnittsrendite liegt aber immer noch unter einem Prozent – vor Steuern. Das dürfte auch 2010 so bleiben.

Das ist für viele Autohändler zu wenig zum Überleben. Experten befürchten in diesem Jahr eine Flut von Insolvenzen.

Die vorausgesagte Pleitewelle wird es nicht geben, aber wohl einen Anstieg der Insolvenzen. 2009 gab es rund 1250 Verfahren, ein Viertel mehr als im Vorjahr. Dieses Niveau könnte 2010 noch einmal überschritten werden.

Werden zu viele Autos produziert und in den Handel gedrückt?

Dass die Hersteller insgesamt zu hohe Produktionskapazitäten haben, ist bekannt. Viele haben zu spät auf den Einbruch des Exports reagiert – drei von vier deutschen Autos werden ins Ausland verkauft – und die Produktion zurückgefahren. In den deutschen Markt sind viel zu viele Autos gedrückt worden, auch weil sich hier bessere Preise erzielen lassen. Die Hersteller müssen dringend ihre Liefermengen an die tatsächliche Nachfrage anpassen. Der Handel ist sonst überfordert.

Vielleicht sollten die Hersteller das Verkaufen besser selbst machen.

Das sollten sie lieber lassen und im Handel nur selbst aktiv werden, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Wenn sich also in einer Stadt kein mittelständischer Partner findet, der in der Regel auch mehr vom Geschäft versteht. In fast allen Fällen verlieren die Autohersteller in ihren eigenen Niederlassungen viel Geld. Denn bei einer Werksniederlassung zählt am Ende nicht das wirtschaftliche Ergebnis, sondern der erzielte Marktanteil bei Neuwagen. Wenn der stimmt, dann ist der Leiter der Niederlassung ein tüchtiger Mann.

Was schlecht für den Händler ist, kann den Kunden freuen. Wird 2010 ein gutes Jahr für Autokäufer, weil es mehr Rabatt gibt?

Schon mit einstelligen Rabatten wird im Handel wenig Geld verdient. Bei zweistelligen Nachlässen wird nur noch Geld gewechselt, es sei denn, die Hersteller beteiligen sich mit Abverkaufshilfen – etwa bei Auslaufmodellen. Die wird es 2010 aber kaum geben. Deshalb muss es zu einer Normalisierung der Rabatte kommen. Wir haben gar keine andere Wahl. Übrigens ist das nicht zum Nachteil der Autobesitzer. Denn größere Nachlässe im Neuwagenhandel entwerten auch die Fahrzeuge in Kundenhand.

Viele Verbraucher haben sich aber an 20 Prozent Rabatt gewöhnt.

Rabatte zu erhöhen, ist immer leichter, als sie zu senken. Es wird schwer, die Preise wieder auf ein betriebswirtschaftlich vernünftiges Niveau zu bringen. Aber ich glaube auch an die Intelligenz der Autokäufer. Sie werden verstehen, dass 2009 mit Nachlässen von 20 und mehr Prozent kein normales Jahr war, welches auch ohne Abwrackprämie einfach fortgeschrieben werden kann.

Steigt nicht angesichts der vielen Modellneuheiten, die die Hersteller 2010 präsentieren, der Druck auf die Händler, die Autos auch zu verkaufen?

Viele Produktvarianten erhöhen nicht automatisch den Verkaufsdruck. Die Händler müssen aber à la carte beim Produzenten bestellen können. So, wie es die Nachfrage erfordert. Bei den deutschen Herstellern müsste das möglich sein, weil die Produktion vor Ort flexibel genug ist. Bei den Importeuren, vor allem aus Fernost und den USA, dürfte es schwieriger sein, nach Kundenwunsch zu produzieren. Da dürfte manches Schiff gar nicht erst abfahren, das normalerweise Autos nach Europa gebracht hätte.

Mini-Renditen, rote Zahlen, wenig Eigenkapital – bekommt ein mittelständischer Autohändler eigentlich bei seiner Bank noch einen Kredit?

Von einer Kreditklemme in unserer Branche kann nicht gesprochen werden. Alle Banken sind aber vorsichtiger geworden, auch die Autobanken. Jeder Händler sollte sich deshalb ganz offen mit seinem Banker zusammensetzen. Das mag in vielen Fällen nicht einfach sein, aber es bildet Vertrauen. So hat man eine gute Chance, seine Kreditlinie verlängert zu bekommen. Gut die Hälfte der Autohäuser vegetiert mit einer Eigenkapitalquote zwischen fünf und zehn Prozent dahin. 20, besser 25 Prozent wären gesund.

Woher soll das Kapital kommen?

Am besten, indem man Gewinne über Jahre im Unternehmen belässt. Weil nachhaltig hohe Gewinne aber unrealistisch sind, braucht der deutsche Autohandel ein neues Geschäftsmodell. Die Autohersteller müssen sich dem Handel gegenüber verantwortlicher verhalten. Am drängendsten ist das Problem mit den Leasing-Rückläufern.

Weil die Hersteller die Restwerte von Leasingfahrzeugen in der Vergangenheit viel zu hoch angesetzt haben, müssen die Händler nach dem Auslaufen der Leasingverträge die Fahrzeuge überteuert zurücknehmen und die Verluste tragen. Daimler unterstützt seine Händler inzwischen mit Millionen, indem sich der Konzern an den Verlusten beteiligt. Was tun die anderen Hersteller?

Daimler ist Vorreiter, Volkswagen und BMW haben die Absicht, nachzuziehen. Einen echten Kompromiss mit ihren Händlern haben sie aber noch nicht gefunden. Es muss dringend mehr passieren. Nur in Deutschland fällt das Restwertrisiko auf die Händler zurück. In anderen europäischen Märkten und in den USA tragen es die Hersteller.

Wie viele Leasingfahrzeuge mit zu hohen Restwerten kommen noch in den Handel zurück?

2010 und 2011 werden es sicher noch einige hunderttausend Leasingfahrzeuge sein, die die Händler zu überhöhten Preisen ankaufen müssen. Insgesamt ist etwa jedes dritte Fahrzeug auf deutschen Straßen ein Leasingfahrzeug.

Müssen die Verbraucher mit steigenden Leasingraten rechnen?

In der Tendenz wird das Fahrzeugleasing teurer. Die gewerblichen Kunden kommen 2010 nach unserer Einschätzung trotzdem zurück. Viele Großkunden haben die Anschaffung von Neuwagen 2009 verschoben. Das ändert sich. Es bleibt aber bei kleinen Impulsen. Wir bewegen uns also auf dünnem Eis.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer.

DER AUTOMANN

Robert Rademacher (70) ist seit 2006 Präsident des Zentralverbands des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK). Von 1972 bis 2005 war Rademacher Chef der Gottfried Schultz GmbH & Co KG, seitdem ist er Mitglied des Verwaltungsrats. Die 1931 gegründete Firma ist einer der größten Vertriebspartner von Volkswagen, Audi und Porsche.

DER VERBAND

Der ZDK vertritt 40 000 Händler- und Werkstattbetriebe, darunter 19 000 fabrikatsgebundene. In der Branche sind gut 460 000 Menschen beschäftigt. Im vergangenen Jahr feierte der Verband den 100. Geburtstag des deutschen Kfz-Gewerbes.

Interview von Henrik Mortsiefer

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