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Wirtschaft: Rohstoffe werden knapp

Die deutsche Industrie ist in Sorge um den Nachschub wichtiger Metalle. Die große Nachfrage aus China lässt die Preise steigen

Berlin - In der Industrie wächst die Sorge vor einer Verknappung wichtiger Rohstoffe. Metalle wie Wolfram, Mangan oder Molybdän sind an den internationalen Märkten immer schwieriger zu bekommen – und wenn, dann nur zu sehr hohen Preisen. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland ist gefährdet“, sagte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Metalle, Karl Heinz Dörner, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Eine Vielzahl von Arbeitsplätzen ist bedroht.“

In den vergangenen zwei Jahren sind die Rohstoffpreise weltweit stark gestiegen. So verteuerte sich Wolfram um 332 Prozent, Titan um 364 Prozent und Vanadium um 646 Prozent. Alle drei Metalle sind Stahlveredler, die für Speziallegierungen – zum Beispiel im Automobil- oder im Flugzeugbau – unverzichtbar sind. Hauptgrund für die Preissprünge ist die rasante Wirtschaftsentwicklung in China: Von Monat zu Monat wächst dort die Nachfrage nach Rohstoffen.

Für die deutsche Industrie wird das zunehmend zum Problem. „Allein für die Produktion eines Autos werden mehr als 40 Rohstoffe benötigt“, erklärt Dörner, der hauptberuflich das Unternehmen Hydro Aluminium in Grevenbroich leitet. „Für die Karosserie braucht man Eisenerz, für den Katalysator Palladium und für die Bordelektronik Kupfer.“

Dabei gibt es in Deutschland so gut wie keine natürlichen Rohstoffvorkommen. Selbst Eisenerz, das man in den 60er Jahren noch hier zu Lande förderte, wird heute zu 100 Prozent importiert – und zwar aus immer weniger Ländern (siehe Grafik). „Die Importabhängigkeit an sich ist kein Problem“, sagt Dörner. „Durch die starke regionale Konzentration bestehen aber geostrategische Risiken.“ So stammt Niob zu 88 Prozent aus Brasilien oder Wolfram zu 78 Prozent aus China. Kobalt wiederum kommt fast nur in den afrikanischen Krisenländern Kongo und Simbabwe vor.

Insgesamt wird der größte Teil der weltweiten Rohstoffförderung durch nur acht Länder gedeckt: Australien, China, Chile, Russland, Brasilien, die Vereinigten Staaten, Südafrika und Kanada. „Fallen die Lieferungen aus einem dieser Länder aus, kann das erhebliche Konsequenzen für die Rohstoffversorgung haben“, sagt Dörner, der auch der Präsidialgruppe „Internationale Rohstofffragen“ im Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) vorsteht.

Ähnliche Befürchtungen hat man beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: Sollte sich der behutsame Wandel in Südafrika nicht fortsetzen, „dürften für Deutschland erhebliche Versorgungsprobleme entstehen“, schreiben die Wissenschaftler in ihrem aktuellen Rohstoffbericht. Die Gefahr bestehe vor allem dann, wenn die wünschenswerte Beteiligung der schwarzen Bevölkerung an der Rohstoffgewinnung „ohne hinreichend qualifiziertes Personal überstürzt durchgesetzt würde“.

Verstärkt wird das Problem durch eine starke Marktmacht einzelner Rohstoffkonzerne: So kontrollieren die zehn größten Mangan-Unternehmen 51 Prozent des gesamten Weltmarkts. Bei Titan kommen die Top Ten der Unternehmen auf 81 Prozent und bei Molybdän sogar auf 85 Prozent. „Diese Unternehmen können ungerechtfertigt hohe Preissteigerungen durchsetzen“, klagt Dörner. Hinzu kommen Handels- und Wettbewerbsbeschränkungen in einigen Ländern. „Der Preisanstieg bei Rohstoffen ist nicht nur marktwirtschaftlich bedingt“, erklärt Dörner. So subventioniert China den Import von Rohstoffen über eine Rückerstattung der Mehrwertsteuer; Russland wiederum erhebt einen 50-prozentigen Ausfuhrzoll auf Aluminium- und Kupferschrott; die Ukraine hat sogar ein generelles Verbot für den Export von Schrott verfügt.

Der Bundesverband der deutschen Industrie sieht deshalb die Politik in der Pflicht. „Es liegt die Frage nahe, ob die Versorgung der deutschen beziehungsweise der europäischen Volkswirtschaft mit Rohstoffen wieder auf die politische Agenda gesetzt werden muss“, heißt es in einem internen Papier der Präsidialgruppe Rohstofffragen. „Wir brauchen eine integrierte, zukunftsfähige, strategische Rohstoffpolitik“, fordert Dörner. Dies betreffe das Wirtschafts-, das Umwelt-, das Außen- und das Entwicklungshilfeministerium.

Bis es jedoch so weit ist, setzen die Unternehmen hier zu Lande auf Selbsthilfe. „Von großer Bedeutung ist das Recycling“, sagt Dörner. In diesem Punkt sei Deutschland bereits spitze in der Welt. Daneben spiele aber auch die Materialeffizienz eine immer wichtigere Rolle: Je sparsamer man mit Rohstoffen umgeht, desto weniger ist man von den Lieferanten abhängig.

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