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Wirtschaft: Rot-Grün tröstet die aufgebrachte Wirtschaft

Regierung will ihr Sparpaket auf Konjunkturschädlichkeit prüfen / Erste Korrekturen an den Koalitionsplänen

Berlin (asi/uwe). Die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, versucht, die aufgebrachte Wirtschaft zu beruhigen. Zu jedem Punkt des von der Koalition vereinbarten Sparpaketes werde es eine ordentliche öffentliche Anhörung in den Ausschüssen des Bundestages geben, sagte Scheel dem Tagesspiegel. Erst danach werde man die Gesetze erarbeiten. Und zwar so, dass sie „nicht konjunkturschädlich sind“.

Damit dürften sich die Probleme der Bundesregierung, Staatsausgaben und einnahmen auszugleichen, in den kommenden Jahren verschärfen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geht schon jetzt davon aus, dass das gesamtstaatliche Defizit in diesem Jahr deutlich über 3,5 Prozent liegen wird. Das sagte Koch bei einer Veranstaltung des Instituts Berlinpolis in Berlin. Verzichtet die Regierung aber auf die angekündigten Steuererhöhungen oder modifiziert sie sie so, dass sie dem Wachstum nicht schaden, muss sie in den kommenden Jahren eine alternative Finanzierung für die Haushaltslöcher finden.

Insgesamt werde der Koalitionsvertrag die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahren mit rund 20 Milliarden Euro belasten, schätzen die Wirtschaftsverbände – wenn er denn tatsächlich umgesetzt wird. Vor allem die Mittelstandsverbände und die Banken laufen Sturm, seitdem sie einen Posten im Koalitionsvertrag entdeckt haben, von dem Eichel in den kommenden Jahren in der Spitze fünf Milliarden Euro mehr erwartet: Das Verbot, Kreditzinsen als Betriebsausgaben zu deklarieren, wenn mit dem Kredit eine Unternehmensübernahme finanziert worden ist (§ 3c EStG). Wird die bisherige steuerliche Praxis tatsächlich gekippt, sei das „das Ende der von Banken finanzierten Unternehmensübernahmen in Deutschland“, stöhnt ein Investmentbanker.

Die Regierung will künftig stärker profitieren, wenn große Unternehmensübernahmen anstehen. Dazu hätte sie die Steuerfreistellung bei Beteiligungsverkäufen wieder kassieren können. Doch gerade für diesen Pragraphen hatte sie sich noch vor zwei Jahren ausführlich von der Finanzwelt feiern lassen: Die Entscheidung, keine Steuern zu fordern, wenn ein Unternehmen verkauft wird, werde den industriellen Umbau in Deutschland beschleunigen und Deutschland in die erste Reihe der Globalisierung pushen, hatten die Banken und die Großunternehmen der Regierung gelobt. Als SPD-Fraktionschef Franz Müntefering in dieser Woche irrtümlich sagte, dass diese Regelung nun gestrichen werde, stürzten die Aktienkurse an der Frankfurter Börse in Sekundenschnelle ab.

Klar, dass die Regierung lieber anders vom Verkauf von Unternehmensbeteiligungen profitieren will. Indem sie es Unternehmen verbietet, die Schuldzinsen von der Steuer abzusetzen. Damit profitiert sie von fast jeder großen Unternehmensübernahme.

Aber auch von jeder kleinen: Denn vor allem Mittelständler brauchen Kredite, wenn sie ein Unternehmen kaufen oder auch nur von ihren Eltern übernehmen wollen. Die Möglichkeit, die Zinsen von der Steuer abzusetzen, ist für sie eine entscheidende Größe bei der Frage, ob es sich überhaupt lohnt, den Betrieb weiterzuführen. In einem Punkt hat die Bundesregierung den Schaden bereits eingesehen - und korrigiert. Ursprünglich wollte sie auch verbieten, bereits angefallene Verluste bei einer Betriebsübergabe auf den Nachfolger zu übertragen. Die Mittelstandsverbände fürchteten, dass dann tausende Betriebe einfach verschwinden werden: Für die potenziellen Nachfolger lohnt es sich einfach nicht mehr, sich um die Sanierung eines verlustreichen Unternehmens zu kümmern, argumentiert etwa der Zentralverband des deutschen Handwerks. In den wenigen Stunden zwischen der letzten Verhandlung zum Sparpaket und der Formulierung des Koalitionsvertrages wurde diese Klausel dann noch herausgestrichen. Und glaubt man der grünen Politikerin Scheel, dann wird dieses Schicksal auch noch den einen oder anderen Paragrafen treffen. Zumindest bei der Aktienbesteuerung fordert Scheel schon großzügige Freigrenzen für Mittelständler.

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