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Wirtschaft: Rußland-Krise trifft vor allem ostdeutsche Firmen

FRANKFURT (MAIN)/BERLIN (HB/Tsp).Bis zu 50 000 Arbeitsplätze könnten nach Meinung von Wirtschaftsexperten im Falle einer Verschärfung der Rußlandkrise in Deutschland gefährdet sein.

FRANKFURT (MAIN)/BERLIN (HB/Tsp).Bis zu 50 000 Arbeitsplätze könnten nach Meinung von Wirtschaftsexperten im Falle einer Verschärfung der Rußlandkrise in Deutschland gefährdet sein.Klaus Werner vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle verwies am Wochenende darauf, daß im vergangenen Jahr Waren im Wert von 3,2 Mrd.DM nach Rußland exportiert worden seien.Das entspreche der Produktivität von etwa 49 500 Industrie-Arbeitsplätzen."Bricht das Rußlandgeschäft weg, sind diese Jobs gefährdet", sagte Werner.

Ähnlich äußerte sich auch Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer.Wenn die russische Regierung keine Reformen durchsetze "und die Bundesregierung keine außenwirtschaftlichen Verpflichtungen übernimmt, sind in den neuen Ländern bis zu 50 000 Arbeitsplätze gefährdet", betonte Schommer gegenüber "Bild am Sonntag".Der ehemalige Präsident des Bundeskartellamtes und heutige Berater für das Rußlandgeschäft deutscher Unternehmen, Wolfgang Kartte, wies darauf hin, daß von der Krise in Rußland vor allem den Mittelstand in den neuen Ländern bedroht sei.Auf der Liste deutscher Abnehmerländer rangiert Rußland zwar nur auf Platz 14, doch ist das Land immerhin der zweitgrößte Abnehmer ostdeutscher Waren.

Wie eine aktuelle Umfrage unter den Exportfirmen und des Industrie- und Handelskammern der Region ergab, hätten bereits zahlreiche Unternehmen ihre Umsatz- und Ertragserwartungen nach unten korrigiert.Grundsätzlich herrscht unter den Firmen eine große Verunsicherung.Gleichwohl drohten noch keine Pleiten wegen des Ausfalls der russischen Kunden.Sachsen kündigte zinsgünstige Kredite der landeseigenen Aufbaubank für Unternehmen an, die wegen der Rußlandkrise in Not gerieten.Die IHK in Leipzig berichtet davon, daß deutlich weniger Zolldokumente für Exporte nach Rußland ausgestellt würden, was eine deutliche Zurückhaltung der Firmen zu erkennen gibt.Die IHK Halle-Dessau erklärte, die Banken verweigerten Kredite für Rußlandgeschäfte.Die Importe liefen sehr schleppend, weil die russischen Banken kein Geld mehr an die Firmen weiterleiteten.Es kämen aber noch Waren an, vor allem Rohstoffe.

Die Reaktionen in den betroffenen Unternehmen sind indes recht unterschiedlich.So fürchtet man bei der brandenburgischen Buck Inpar GmbH Pinnow, die Module für Wohnungen der aus Deutschland abgezogenen Militärs liefert, momentan trotz der verbreiteten Zahlungsschwierigkeiten der Kundschaft infolge der massiven Rubelabwertung keine negativen Folgen.Die Lieferungen seien über Hermes abgesichert.Das Pharmaunternehmen Berlin-Chemie hingegen verfügte einen generellen Lieferstopp nach Rußland."Wenn gezahlt wird, dann wird wieder geliefert," versprach Vorstandschef Hansjürgen Nelde.Allerdings werde mit Großkunden über Kompromisse für Arzneimittel verhandelt.

Die Darguner Brauerei aus Mecklenburg-Vorpommern, deren Produktion nach eigenen Angaben auf vollen Touren lief, arbeitet inzwischen kurz.Die MTW-Werft in Wismar berichtete, man habe mit der Lieferung von Spezialschiffen für eine Erdölgesellschaft in Murmansk im kommenden Jahr 60 Prozent des Umsatzes sichern wollen.An dem Auftrag hingen 400 Arbeitsplätze.

Commerzbank-Vorstandssprecher Martin Kohlhaussen warnte unterdessen davor, angesichts der Krise von einer Weltdepression zu sprechen.Auch Bundesbank-Chef Hans Tietmeyer hatte am Freitag vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten unterstrichen, es sei nicht gerechtfertigt, von einer "Weltfinanzkrise" zu reden.Sehr viel wichtiger sei die weitere Entwicklung der US-amerikanischen Konjunktur.Die psychologischen Auswirkungen der Rußland-Krise sollten freilich nicht unterschätzt werden."Wir müssen aufpassen, daß keine kumulative Ansteckungsgefahr entsteht", sagte Tietmeyer.Die Notenbanken dürften nichts tun, was zusätzliche Unsicherheiten provozieren könnte.In Kapitalverkehrs- und Devisenkontrollen sieht Tietmeyer keine Lösung; er würde aber akzeptieren, wenn bestimmte Länder befristet darauf zurückgriffen.

Für vorübergehende Devisen- und Kapitalverkehrskontrollen zur Stabilisierung der Lage in Rußland sprach sich Bankchef Kohlhaussen aus.Damit könnten auch deutsche Investoren leben, wie sich am Beispiel China zeige.Derweil erklärte der Präsident des russischen Abgeordnetenhauses, Gennadi Selesnjow, gegenüber dem "Spiegel", man werde die Banken verstaatlichen.Es sei vorgesehen, aus den 1700 Banken fünf bis sechs staatliche Banken zu machen.

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