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Wirtschaft: Sachsen-Anhalt setzt auf grüne Energie

Der Umweltsektor des Landes mausert sich zum Wirtschaftsfaktor / Bereits 38 000 BeschäftigteVON EBERHARD LÖBLICH MAGDEBURG.Was Grüne und auch so manche Sozialdemokraten unter ökologischer Erneuerung der Gesellschaft verstehen, läßt sich nach vier Jahren Rot-Grün in Sachsen-Anhalt durchaus bereits an konkreten Zahlen ablesen.

Der Umweltsektor des Landes mausert sich zum Wirtschaftsfaktor / Bereits 38 000 BeschäftigteVON EBERHARD LÖBLICH MAGDEBURG.Was Grüne und auch so manche Sozialdemokraten unter ökologischer Erneuerung der Gesellschaft verstehen, läßt sich nach vier Jahren Rot-Grün in Sachsen-Anhalt durchaus bereits an konkreten Zahlen ablesen.Dort ist die Umwelttechnik, nicht zuletzt bei den regenerativen Energien, zwischenzeitlich zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor geworden.Jüngster Coup von Umweltministerin Heidrun Heidecke (Bündnis 90/Die Grünen) war der Verkauf der Sket Maschinen- und Anlagenbau GmbH, einer von fünf Auffanggesellschaften des in Konkurs gegangenen Maschinenbauriesen in Magdeburg, an die mittelständischen Unternehmer Heinz Buse und Aloys Wobben.Diese Privatisierung hatte die Ministerin am Wirtschaftsministerium ihres Kabinettskollegen Klaus Schucht vorbei eingefädelt.Buse baut schon seit geraumer Zeit in seiner Firma Stahlturm- und Apparatebau Magdeburg GmbH (SAM) Stahl-Vollwandtürme für Windkraftanlagen.Wobben gilt mit seiner ostfriesischen Enercon GmbH als deutscher Marktführer für den Bau von Windkraftanlagen, der sich zudem weltweit steigender Nachfrage erfreut und dringend nach Möglichkeiten zur Kapazitätserweiterung suchte. Während Buse die klassischen Geschäftsfelder der Sket Maschinen-und Anlagenbau GmbH weiterführt und die langfristige Weiterbeschäftigung der 180 Mitarbeiter im Privatisierungsvertrag garantiert hat, produziert die Enercon auf dem Sket-Gelände komplette Windkraftanlagen.200 Mitarbeiter hat Wobben seit der Sket-Übernahme im Januar bereits eingestellt, nun ist er schon wieder auf der Suche nach 200 Fachkräften. "Möglich wurde diese Privatisierung, weil wir uns politisch gerade im Bereich der Windenergie besonders engagiert haben", zieht Heidecke Bilanz."Diese Energieform bietet sich für unser Land besonders an." Zahlreiche kleinere Maschinenbauunternehmen im gesamten Land hätten sich inzwischen Entwicklung, Bau und Lieferung von einzelnen Komponenten für Windkraftanlagen als neues Geschäftsfeld erschlossen.Mit 136 Anlagen und einer Gesamtleistung von 68,5 Megawatt hat Sachsen-Anhalt mittlerweile nach Hessen den zweiten Platz aller deutschen Binnenländer bei der Windenergienutzung eingenommen. Anders als bei der in den übrigen Bundesländern geübten Praxis hat die Ministerin frühzeitig die Zusammenarbeit mit den großen Energieversorgern gesucht und gefunden.An der von ihr gegründeten Energieagentur Sachsen-Anhalt sind die beiden großen regionalen Versorger sowie die drei größten Stadtwerke in Magdeburg, Halle und Dessau zu 50 Prozent beteiligt.Und im Gegensatz zur Praxis anderer Bundesländer haben die Versorgungsunternehmen der Energieagentur für eine Windkraft-Potentialstudie Daten über freie Einspeisungskapazitäten an den Umspannwerken zur Verfügung gestellt, die andernorts wie Staatsgeheimnisse behandelt werden."Das, was da jetzt an Datenmaterial auf dem Tisch liegt, läßt sich auch von den Energieversorgern nicht mehr wegdiskutieren", ist Heidecke überzeugt.Intern gebe es bei den Energieversorgern bereits Diskussionen, selbst ins Geschäft mit der Windkraft einzusteigen, sagt die Ministerin."Es ist ja schließlich auch eine Milchmädchenrechnung, für Gestehungskosten von 13 Pfennigen pro Kilowattstunde selbst zu investieren oder einem Investor über das übliche Anlegermodell 17 Pfennige zahlen zu müssen." Mit der Mitteldeutschen Energie AG (MEAG) verhandelt das Ministerium derzeit sogar über ein Windkraftmeßfeld, um die Verläßlichkeit von Windprognosen besser einschätzen zu können."Die Versorger haben natürlich auch ein Interesse daran, genau abschätzen zu können, wann Spitzenlasten über Windenergie zumindest teilweise abgedeckt werden können und deshalb die vorhandenen Blockheizkraftwerke nicht weiter hochgefahren werden müssen." Insgesamt werden in Sachsen-Anhalt bereits 100 Mill.Kilowattstunden Strom pro Jahr aus Windenergie produziert.Das entspricht nach Angaben aus dem Umweltministerium dem Stromverbrauch von 40 000 Haushalten und reduziert die Kohlendioxid-Emission um rund 100 000 Tonnen jährlich."Derzeit kommt bereits ein Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Landes aus Windkraft", rechnet Heidecke vor."Wenn die Dynamik anhält, dann werden wir das Ziel, bis 2005 sieben Prozent des Energieverbrauchs aus Windkraft zu beziehen, viel früher erreicht haben." Über den Bereich der Windenergie hinaus trägt sich Enercon derzeit mit dem Gedanken, in neue Produktionsverfahren für Solartechnik einzusteigen."Gemeinsam mit der Firma Solvis, die in diesem Bereich schon länger aktiv ist, will Enercon auf dem Sket-Gelände möglicherweise eine Produktionsanlage für Solarabsorber auf Basis einer ganz neuen Technik errichten", sagt Heidecke.Auch mit anderen Photovoltaik-Produzenten verhandele das Land über Ansiedlungen von Produktionsanlagen. Aus Wasserkraft werden in Sachsen-Anhalt derzeit 35 Mill.Kilowattstunden jährlich an Strom produziert und in das öffentliche Netz eingespeist."Damit hat die Wasserkraft aufgrund regionaler Gegebenheiten einen untergeordneten Stellenwert im Bereich der regenerativen Energien", sagt Heidecke."Wir fördern sie trotzdem, weil sie langfristig durchaus zu einem Exportfaktor für den Maschinenbau werden kann." Gerade kleine Anlagen im Bereich der Wind- und Wasserkraft könnten künftig zu einem echten Exportschlager insbesondere in die Schwellenländer werden, wo zahlreiche abgelegene Gebiete noch ohne eigene Energieversorgung seien. Insbesondere im landwirtschaftlich geprägten Norden Sachsen-Anhalts könnte die Energieproduktion aus Gülle eine zunehmend große Rolle spielen.Eine Anlage mit 13 000 Mastbullen wird derzeit mit zwei Blockheizkraftwerk-Modulen ausgestattet, die das Biogas aus jährlich 130 000 Kubikmetern Gülle in Strom und Wärme umwandeln sollen."Diese Pilotanlage wird zu den größten ihrer Art in Europa gehören", sagt die Ministerin, die aus ihrem Etat rund zwei Mill.DM zum Bau dazugeschossen hat.Aus den geruchsintensiven Hinterlassenschaften der Mastbullen sollen künftig allein 3,5 Mill.Kilowattstunden Strom jährlich gewonnen werden. Umwelttechnik wie die regenerative Energiegewinnung schlägt sich zwischenzeitlich spürbar auf den Arbeitsmarkt nieder.Der gesamte Umweltbereich Sachsen-Anhalts zählt inzwischen 38 000 Beschäftigte, etwa so viele wie die Chemie- oder die Ernährungswirtschaft im Lande.

EBERHARD LÖBLICH

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