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Wirtschaft: Sauber reisen

Die Debatte um den Klimaschutz beherrscht die ITB. Der Branche ist das nicht sehr recht

Berlin - Am indischen Stand mit der Fahrradrikscha zögert Bundeswirtschaftsminister Michael Glos nicht lang. Er setzt sich erst auf die Rückbank und klettert dann auf den Fahrersattel. Der CSU-Politiker weiß um die Macht der Bilder. Und was passt besser zur Debatte über Klimaerwärmung und umweltfreundliches Reisen, die die weltgrößte Touristikmesse beherrscht, als ein emissionsfreies Fahrzeug? Im Anschluss wird der Minister noch drei Stunden über das ausgebuchte Messegelände laufen – vorbei an in Saris gehüllten indischen Schönheiten, indonesischen Tänzerinnen und an dem überdimensional großen Fußball, der auf die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika hinweist. Die 41. Internationale Tourismusbörse in Berlin hat begonnen.

Der eigentliche Schwerpunkt der ITB sollte das Partnerland Indien sein. Aber seit Tagen dreht sich in Deutschland alles um Kerosinsteuer, den Handel mit CO2-Zertifikaten und höhere Landegebühren für veraltete Flugzeuge. Nicht nur die Billigflieger sind in der Defensive, irgendwie steht die ganze Tourismusbranche als Klimasünder da. Und aus der Politik ertönt die Mahnung, künftig einfach weniger weit zu verreisen. Klaus Laepple ist über solche Äußerungen empört. „Die Forderung, die Deutschen sollten nur noch im Inland Urlaub machen, ist so anmaßend wie realitätsfern“, schimpft der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV). „Es ist mit Sicherheit nicht die Aufgabe der Volksvertreter, den Deutschen das Reisen zu verbieten.“ Für die ITB sei es „schade“, dass das Umweltthema die Messe so dominiere. Die Politik solle lieber ihre Hausaufgaben machen und zügig die „seit Jahren eingeforderte“ einheitliche europäische Flugsicherung, den Single European Sky, umsetzen. Das vermeide Warteschleifen am Himmel – und reduziere somit Emissionen.

Allerdings: Vom Wirtschaftsminister ist Laepple ganz angetan. Glos habe bei der Eröffnung am Dienstagabend „eindeutig“ Stellung zu dem Thema bezogen, als er in seiner Rede vor „Hysterie“ und „einseitigen Lösungen“ warnte. Auch beim Messe-Rundgang am Mittwoch betont der Minister, es sei doch wenig zielführend, den „hart arbeitenden Deutschen“ die Lust am Reisen zu verderben. Die Branche stehe prima da, Klimaschutz und Tourismus seien kein Widerspruch. Da kann der DRV-Präsident nur zustimmen: Indem sich die öffentliche Diskussion über den Klimaschutz auf Reisen mit dem Flugzeug konzentriere, werde „das falsche Schwein geschlachtet“.

Denn nur 32 Prozent aller Urlaube werden laut DRV überhaupt mit dem Flugzeug unternommen. Auch sei der gesamte Luftverkehr nur mit drei Prozent an den weltweiten Emissionen beteiligt, der europäische gar nur zu 0,5 Prozent. Der Emissionsausstoß wird für den Treibhauseffekt mit verantwortlich gemacht.

Wie man jedoch eine solche Debatte auch nutzen kann, zeigt am Mittwoch der Chef des Reisekonzerns Alltours, Willi Verhuven. „Wir gehören auch zu den Umweltverschmutzern“, gesteht er auf der ITB ein und fordert, die Tourismusindustrie müsse ihren Teil zum Klimaschutz beitragen. Alltours-Eigentümer Verhuven will „Mindestpreise je Flugstunde“. Unter 90 Euro sollte es erst gar keine Flüge zu kaufen geben und manche Strecken im innerdeutschen Luftverkehr könnten schlicht „vom Markt verschwinden“. Als Beispiel nennt er etwa Flüge von Düsseldorf nach Frankfurt. Allerdings ist Alltours, Deutschlands viertgrößter Reisekonzern, in diesem Markt überhaupt nicht aktiv.

Alles in allem ist die Tourismusmesse mit ihren 10 923 Ausstellern aus 184 Ländern jedoch kein bisschen weniger exotisch als in den vergangenen Jahren. Reisen in ferne Länder stehen hoch im Trend, Thailand oder die Dominikanische Republik sind beliebte (Flug-)Ziele. Und nicht zuletzt meldet das ITB-Partnerland Indien ein 78-prozentiges Wachstum seines Tourismussektors in den vergangenen fünf Jahren.

Juliane Schäuble

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