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Wirtschaft: Schlagende Argumente

Wer sich auf „Russisch-Inkasso“ einlässt, begeht in der Regel Rechtsbruch

Handwerker, Dienstleister und Vermieter klagen schon lange darüber – die Zahlungsmoral vieler Schuldner ist im Keller. Da werden die Rechnungen für Reparaturen oder Waren nicht gezahlt oder die Miete geprellt. Nicht selten geht es um tausende von Euro, die sogar die Existenz desjenigen bedrohen, der sie verdient hat. Wer den gesetzlich vorgeschriebenen Gerichtsweg geht, muss meist lange und oft vergeblich auf sein Geld warten. Der Ehrliche ist schnell der Dumme, vor allem, wenn der Schuldner dreist genug ist.

Diese „Marktlücke“ haben sich seit einigen Jahren findige Geschäftsleute zunutze gemacht. Sie versprechen den Geprellten, auf unkonventionelle Weise bei der Realisierung ihrer Außenstände behilflich zu sein. „Russisch Inkasso“ nennt man in Fachkreisen diese Art des Forderungsmanagements. Bei ihm versuchen zumeist kahl geschorene, breitschultrige Männer mit nur gebrochenen Deutsch-Kenntnissen, zahlungsunwillige Schuldner „im guten Gespräch“ davon zu überzeugen, dass es für sie doch allemal vorteilhafter ist, die Rechnung des Auftragsgebers nun endlich auszugleichen. „Ihr Schuldner muss kein Russisch können; er wird uns auch so verstehen“, lautet einer der Werbesprüche aus der Branche. Doch nicht nur die Anbieter dieser „Dienstleistung“ begeben sich damit auf dünnes Eis, auch ihre Auftraggeber. Die „russische“ Art des Forderungsinkassos stellt nämlich in der Regel einen klaren Rechtsbruch dar.

Die Forderungseintreibung mittels Drohung oder auch nur mit dem Inaussichtstellen von Gewalt verwirklicht klar den Straftatbestand der Nötigung. Dieser ist im Strafgesetzbuch mit einer Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis oder mit Geldstrafe bedroht. Die Tatsache, dass der Forderungsgläubiger nicht selbst tätig wird, sondern andere für sich arbeiten lässt, hilft ihm nicht. Denn der Anstifter wird nach deutschem Recht gleich dem Täter bestraft.

Die Staatsanwaltschaften haben in letzter Zeit die Zahl der von ihnen geführten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem „Russisch-Inkasso“ spürbar erhöht. Erst kürzlich wurde ein Bauhandwerker vom Amtsgericht Ludwigsburg zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt, weil er einem säumigen Kunden mit der Beauftragung eines auf „Russisch-Inkasso“ spezialisierten Unternehmens gedroht hatte, ohne später allerdings tatsächlich die Dienste dieser Personen zu nutzen. Bereits diese Drohung, so die zuständige Staatsanwältin, könne der Kunde nicht anders verstanden haben, als dass der Verurteilte ihm die „Russen-Mafia“ auf den Hals schicken wollte.

„Russisch-Inkasso“ darf nicht verwechselt werden mit der Tätigkeit seriöser Inkasso- Unternehmen. Sie dürfen erst aufgrund einer Genehmigung des zuständigen Gerichtspräsidenten nach einem Zulassungsverfahren und unter seiner laufenden Kontrolle ihren Klienten die Unterstützung bei der außergerichtlichen Forderungseinziehung anbieten. Der Bundesverband deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) in Hamburg versäumt deshalb auch kaum eine Gelegenheit, auf diese Unterschiede hinzuweisen.

Neben dem Risiko strafrechtlicher Verfolgung drohen dem ungeduldigen Gläubiger, der sich auf zwielichtige Methoden eingelassen hat, auch kostenintensive Verluste auf dem Gebiet des Zivilrechts: Da der Forderungsbetrag bei ihm mittels Rechtsbruch eingetrieben wurde, kann sich der Schuldner den abgenötigten Geldbetrag mit rechtsstaatlichen Mitteln wieder zurückholen. Zudem könnte der Schuldner Einwendungen gegen die Forderung erheben, beispielsweise, weil das errichtete Gebäude Baumängel aufweist oder weil der fällige Mietzins zu mindern ist. Alles müsste das in dem dann zu führenden Gerichtsverfahren aufgeklärt und entschieden werden. Sollte der Gläubiger zur Rückzahlung verurteilt werden, muss er zusätzlich die entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten tragen und eventuell noch zusätzlich Schadensersatz an seinen Schuldner zahlen.

Auch wenn der Schuldner kurz nach Vollzug des „Russisch-Inkasso“ in Konkurs fallen sollte, würde dies dem Gläubiger wenig nutzen. In diesem Fall würde er vom Insolvenzverwalter angeschrieben werden, der die unfreiwillige Vermögensverfügung des früheren Schuldners nach der Insolvenzordnung anfechten und Rückzahlung in die Insolvenzmasse verlangen kann. Einen eventuellen Rückforderungsrechtsstreit würde der Insolvenzverwalter im Namen der Gemeinschuldnerin führen.

Es mag auf den ersten Blick sicher verlockend erscheinen, säumige Schuldner durch „Russisch-Inkasso“ einzuschüchtern und hinsichtlich aufgelaufener Außenstände „kurzen Prozess“ zu machen. Dies gilt umso mehr, wenn man den Eindruck gewonnen hat, dass die Zechpreller sich nur mit unlauteren Tricks um ihre Zahlungsverpflichtung zu drücken versuchen und gleichzeitig ein Leben im Luxus führen. Doch Selbstjustiz kann sich für den beitreibenden Gläubiger leicht als ein gefährlicher – und kostspieliger – Bumerang erweisen.

Die Autoren sind Partner der Sozietät Rodegra Rechtsanwälte Berlin/New York City mit Tätigkeitsschwerpunkt Nationales und internationales Vertragsrecht. Internet: www.anwaltskanzlei-rodegra.de.

Jürgen Rodegra, Christian Martin Buth

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