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Zurück im Hörsaal. Alt-Kanzler Schröder spricht in der Uni Göttingen.

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Zehn Jahre Agenda 2010: Schröder lässt sich feiern, Lafontaine ist wütend

Im Kreise deutscher Ökonomen lässt Altkanzler Gerhard Schröder sich für die Bilanz der Agenda-Politik feiern. Oskar Lafontaine hingegen ist nicht in Party-Laune.

Es ist ein Heimspiel für Gerhard Schröder. Hier in Göttingen hat er studiert, und im Publikum sitzen all die Ökonomen, die damals genau die Reformen einforderten, die er schließlich umsetzte und sie „Agenda 2010“ nannte. Der Alt-Kanzler macht kein Geheimnis daraus, welche Genugtuung ihm dieser Auftritt bei der Jahrestagung des Vereins für Sozialpolitik (VfS) bereitet, dem größten deutschen Ökonomenverband.

Nach zehn Jahren der Anfeindungen kann er sich endlich für die späten Erfolge seiner Politik feiern lassen. Später, nach seiner Rede wird sogar Hans-Werner Sinn, der sonst so kritische Chef des Münchner Ifo-Instituts, den Pressevertretern ein paar nette Worte über Schröders Agenda in die Blöcke diktieren.

Schröder gibt sich selbstbewusst: „Die Agenda 2010 war mit dafür verantwortlich, dass Deutschland heute besser dasteht als andere Länder“, sagt er und kommt gleich auf die Kollateralschäden zu sprechen: „Dass wir auf dem Weg den einen oder anderen Unterstützer verloren haben, gehört dazu, wenn man Politik gestaltet.“ Den Verlorenen, den diese Spitze treffen soll, schaut Schröder nicht an. Dabei sitzt dieser in Sichtweite in der zwölften Reihe des großen Hörsaals: Oskar Lafontaine, Schröders erster Finanzminister und heute sein schärfster Kritiker.

Als Schröders Auftritt von den Ökonomen artig beklatscht wird, verzieht er nur das Gesicht. Lafontaine weiß, kurz danach wird er sein eigenes Fazit ziehen können über die Agenda. Nicht bei der offiziellen Tagung, sondern ein paar Meter weiter, in einem Seminarraum bei der „Ergänzungstagung“, die von alternativen Ökonomen organisiert wurde. Hier hat Lafontaine sein Heimspiel.

Ergänzungsredner Oskar Lafontaine
Ergänzungsredner Oskar Lafontaine

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Während Schröder mit sich im Reinen scheint, werden bei Lafontaine die Verletzungen der letzten Jahre mehr als deutlich. Bei ihm regiert immer noch die Wut. Lafontaine hat es offensichtlich bis heute nicht überwunden, dass ihn Schröder 1999 – nach einem halben Jahr im Amt – so weit isoliert hatte, dass er nicht mehr länger Finanzminister und Parteichef sein wollte. So mag Lafontaine den früheren Kanzler, mit dem zusammen er die SPD 1998 zum Wahlsieg führte, nicht einmal mehr beim Namen nennen. Er spricht von „meinem Vorredner“, vom „Kanzler, der nach Kohl kam“ oder von „dem Mann, der die Agenda 2010 nicht erfand, sondern sich einflüstern ließ“.

Nicht einmal die für viele offensichtlichen Erfolge auf dem Arbeitsmarkt, will Lafontaine gelten lassen. Zu einem positiven Fazit könne nur gelangen, wer die Statistiken falsch anwende, hält er dagegen. „Das Beschäftigungsvolumen in Stunden ist heute nicht höher als damals“, ruft Lafontaine.

Für Schröder scheint die Zeit die Wunden geheilt zu haben. Er zieht eine ironisch-distanzierte Lehre aus seiner Erfahrung mit der Agenda 2010: „Zwischen Reformbeschlüssen und positiver Wirkung besteht nun einmal eine zeitliche Lücke.“ In dieser Lücke wolle man sich möglichst keinen Wahlen stellen, sagt Gerhard Schröder. (HB)

N. Häring, H. C. Müller

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