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Wirtschaft: Schuldenabbau: Russland will bald Teil der Verbindlichkeiten bezahlen

Die Eingung in Moskau kam schnell und erscheint auf den ersten Blick sehr einfach. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der russische Präsident Wladimir Putin einigten sich über einen Abbau zumindest eines Teils der russischen Schulden.

Die Eingung in Moskau kam schnell und erscheint auf den ersten Blick sehr einfach. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der russische Präsident Wladimir Putin einigten sich über einen Abbau zumindest eines Teils der russischen Schulden. Gedacht sei an eine deutsche Beteiligung an russischen Unternehmen, sagten die Russen, weitere Einzelheiten sollten Experten klären. Doch eine Lösung des russischen Schuldenproblems ist eine Aufgabe, an der selbst gestandene Finanzjongleure schier verzweifeln dürften.

Russland Schuldenberg ist beeindruckend: Per 31. Mai 1998 - zweieinhalb Monate später kam der Finanzcrash und der Kreml stellte sämtliche Zahlungen ein - beliefen sich die Auslandsverbindlichkeiten auf insgesamt 123 Milliarden Dollar - 26,5 Prozent des russischen Bruttoinlandproduktes. 33 Milliarden Dollar - Ergebnis von insgesamt 27 000 Einzelkrediten, die bis 1991 bei rund 430 westlichen Handelsbanken gegen Regierungsbürgschaft aufgenommen wurden - schuldet Russland dem Londoner Club, der die Interessen privater Gläubiger, darunter der 13 weltweit größten Geldhäuser vertritt. Die aufgelaufenen Zinsen betragen inzwischen über elf Milliarden Dollar. Für beides wurde schon im Herbst 1997 ein Umschuldungsabkommen ausgehandelt, das die Zahlungen auf 15 Jahre streckt. Gegenwärtig verhandelt Russland über einen neuen Aufschub.

Beim Pariser Club, der Interessenvereinigung der staatlichen Gläubiger, steht Moskau dagegen mit rund 48 Milliarden Dollar in der Kreide. 40 Milliarden Dollar liehen sich noch die Sowjets. Knapp die Hälfte davon entfallen auf Regierungskredite der Bundesrepublik und daraus resultierende Zinsen.

Anlässlich der konstituierenden Sitzung der deutsch-russischen Strategie-Arbeitsgruppe im vergangenen Juli unterzeichneten Vertreter beider Staaten ein Abkommen, mit dem Russland - nun schon zum fünften Mal - Zahlungsaufschub bis 2016, teilweise sogar bis zum Jahr 2020 gewährt wurde. Dafür verpflichtete sich Moskau, ab sofort Umschuldungszinsen zu zahlen. Insgesamt ist Russland seit der Finanzkrise im August 1998 gegenüber allen 16 Gläubigerstaaten momentan bei der Zinstilgung mit rund vier Milliarden Dollar im Rückstand. Davon werden bereits in diesem Jahr drei Milliarden fällig. Gut 50 Prozent davon schon im 1. Quartal. Eben diese Zahlung stellte die russische Regierung im Vorfeld des Schröder-Besuches in Frage.

Das Desaster ist in großen Teilen hausgemacht und hat politische Hintergründe. Durch hohe Erdölpreise auf dem Weltmarkt konnte Moskau Ende des vergangenen Jahres erstmals seit dem Zusammenbruch der Union einen Haushalt ohne Neuverschuldung verabschieden. Finanzminister Alexej Kudrin rechnete sogar mit einem Plus von 35 Milliarden Rubel (rund 2,8 Milliarden Mark). Die wurden jedoch nicht für den Schuldendienst verplant. Vielmehr stellte Kudrin der Duma anheim, das Planplus nach eigenem Gutdünken aufzuteilen.

Dumm nur, dass das angebliche Planplus mit neuen IWF-Krediten finanziert werden sollte. Genau das aber lehnten die Weltwährungshüter bei Verhandlungen mit Moskau bisher rundheraus ab: Sie konnten bei den seit Jahren ausstehenden Strukturreformen nach wie vor keinen Fortschritt erkennen. Da von der Wiederaufnahme der IWF-Kreditierung auch der Pariser Club neue Umschuldungsverhandlungen abhängig machte, schließt sich für Moskau erneut der Teufelskreis. Die Investmentbanker von Merill Lynch bescheinigten Russland bereits ein "neuerliches technisches Default".

Kein Wunder, dass Schröder und Putin sich da nicht einmal in Ansätzen über das Schicksal von 13 Milliarden Mark Schulden einigen konnten, die die Sowjetregierung noch bei der DDR durch Import von Konsumgütern und für den Unterhalt der sowjetischen Einheiten machte. Zum einen geht Moskau von einer niedrigeren Summe aus. Zum anderen ist fraglich, wie deutsche Unternehmen angesichts des nach wie vor ungünstigen Investitionsklimas auf den russischen Vorschlag reagieren, kostengünstig Anteile an russischen Unternehmen zu erwerben und mit einen Teil späterer Erlöse Moskaus Schulden bei der Bundesregierung zu tilgen.

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