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Wirtschaft: Sehnsucht nach der Welt Es ist Berlinale und alle wollen hin.

Aber wie schafft man es auf den roten Teppich? Ein Produzent, ein Regisseur und ein Drehbuchschreiber erzählen.

Schöne Damen, elegante Herren, große Villen, Pools und Blitzlicht – solche oder so ähnliche Bilder rauschen durch den Kopf, wenn man an das Filmgeschäft denkt. Erst recht in diesen Tagen, wenn sich Teile der internationalen Filmwelt in der deutschen Hauptstadt zur 63. Berlinale versammeln. Deren Gang über die roten Teppiche der Stadt verfolgen unzählige Filmfans. Was den Beobachtern verborgen bleibt, sind die Wege, die Filmemacher zurücklegen, bevor sie dort überhaupt ankommen. Sie sind oft entbehrungsreich und kräftezehrend.

„So ein Filmfestival hat einen gewissen Glamour, aber mit der Realität hat das wenig zu tun“, sagt Jan Schütte, Leiter der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Hier lernen Regisseure, Produzenten und Drehbuchautoren ihr Handwerk. Schütte legt viel Wert darauf, die Studenten darauf vorzubereiten, was sie nach der Akademie erwartet. „Man muss viel Durchhaltevermögen und ein hohes Frustrationslevel haben.“ Bis ein Film realisiert ist, müssen die Filmemacher oft Jahre mit geringen finanziellen Mitteln überstehen. Eine relativ günstige Stadt wie Berlin gibt dem Nachwuchs diese Freiheit. Zudem gibt es viele Kräfte in der Stadt, die auch für weniger Geld oder umsonst mitarbeiten. Ebenso heißt das aber, dass die Konkurrenz enorm ist. Viele kämpfen um die vergleichsweise geringen Fördermittel.

DER REGISSEUR

Der Film des Regisseurs Marcin Malaszczak ist einer von mehr als 400 Filmen, die auf der Berlinale gezeigt werden. „Sieniawka“ hat heute im Forum Weltpremiere. Malaszczak ist 27 Jahre alt und beendet im Juni sein Regiestudium an der DFFB. Zwar kann man sich auch über Praktika zum Regieassistenten und schließlich zum Regisseur hocharbeiten. Doch an der Filmhochschule haben junge Regisseure den entscheidenden Vorteil, an die teure Technik und Mittel für die Postproduktion zu kommen.

Malaszczak war die Möglichkeit wichtig, sich erst einmal auszuprobieren. Die Arbeit als Regisseur ist für ihn „eine Art und Weise, die Sehnsucht nach der Welt zu stillen.“ Hier spricht die Leidenschaft, ohne die die Arbeit im Filmgeschäft aussichtslos ist. Denn auch Malaszczak sagt: „Man kann nur bedingt davon leben.“ Mit „Sieniawka“ hofft er zumindest seine Schulden bezahlen zu können. Mit kleineren Filmarbeiten hält er sich über Wasser.

Um Geld zu sparen, hat er seine eigene Produktionsfirma gegründet – überhaupt macht er das meiste selbst, auch Drehbuch und Kamera. Wichtig für ihn ist, immer den Glauben an den Film aufrechtzuerhalten. Schließlich ist es seine Aufgabe, das Team zu begeistern. Was nicht immer einfach ist, besonders in Zeiten, in denen alles scheinbar zum Stillstand kommt. Zum Beispiel weil das Geld gerade fehlt oder die Drehbedingungen nicht stimmen. Das alles zahlt sich aus, wenn der Film fertig ist. „Dann führt er ein Eigenleben und braucht mich nicht mehr.“

DER PRODUZENT

Auch Fabian Gasmia entlässt einen Film auf der diesjährigen Berlinale in sein Eigenleben – jedoch nicht als Regisseur, sondern als Produzent des Kurzfilms „Nashorn im Galopp“. Der 35-Jährige hat vor fünf Jahren mit einem Partner die Produktionsfirma „Detailfilm“ mit Standorten in Hamburg und Berlin gegründet. Schon als Jugendlicher wusste er, dass er am liebsten Produzent werden wollte. „Ich finde Menschen spannend, habe keine Angst vor Zahlen und ich liebe Geschichten“, sagt er. Als Produzent müsse er von allem ein bisschen beherrschen, Schnitt, Drehbuch, Filmmusik beurteilen können und natürlich Verhandlungen führen. Der klassische Weg des Produzenten führt über „viele Jahre mit sehr schlecht bezahlten Praktika“ und dann zur Produktionsassistenz oder an die Filmhochschule. Gasmia entschied sich für die Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam. Nachdem er noch einen Master mit Schwerpunkt auf internationale Co-Produktionen abgeschlossen hatte, war klar, dass er sich selbstständig machen wollte. „In den ersten Jahren bedeutete das eine durchaus existenzbedrohende Armut“, sagt er. Er und sein Partner zahlten sich monatlich etwa 700 Euro aus. An eine Beziehung war nicht zu denken, fünf Jahre lebte er „urlaubsfrei, mit einem ständigen Zustand von 80-Stunden-Wochen.“ Dass es so lange dauern würde, bis die entbehrliche Zeit vorbei war, nämlich drei bis vier Jahre, hätte er nicht gedacht. „Aber diesen Optimismus, den muss man im Filmgeschäft ja haben.“

DER DREHBUCHSCHREIBER

Sebastian Bleyl, 35, war vor kurzem bei einem Casting für einen Kinofilm, für den er das Drehbuch geschrieben hat. Da standen dann Schauspieler vor ihm, die er von der Leinwand kannte und spielten seine Szenen, seine Dialoge nach. „Erst im zweiten Moment habe ich mir gedacht: Das habe ja ich mir ausgedacht!“ sagt Bleyl. Die Momente, in denen Schauspieler seine Szenen mit Leben füllen, können die besten sein. Manchmal ist er auch enttäuscht über die Umsetzung, aber das gehört dazu. Sebastian Bleyl ist Drehbuchautor geworden, weil er sich nicht fremde Stoffe aneignen, sondern seine eigenen schaffen wollte. Er arbeitet in Berlin und hat ebenfalls an der DFFB studiert. „Natürlich kann man sich auch unfassbar viele Filme ansehen und so die Tricks und Regeln der Dramaturgie lernen“, sagt Bleyl. Doch im Studium entsteht zudem ein Netzwerk, das im Filmgeschäft so wichtig ist. Die Ideen zu seinen Drehbüchern kommen Bleyl meist aus Alltagssituationen, zum Beispiel aus einer Unterhaltung, die er in der U-Bahn aufschnappt. Das Schwierigste ist dann die Arbeit an der Struktur, danach kommen die Dialoge. Der Prozess kann ein paar Jahre dauern. „Es ist eine einsame Arbeit in meinem dunklen Kämmerchen“, sagt Bleyl. Doch das Tolle daran ist für ihn die Freiheit im Schreibprozess. „Wenn ich mir eine Geschichte ausdenke, kann ich Gott spielen. Ich kann eine ganze Welt kreieren und die Figuren machen lassen, was ich möchte.“ Geld bekommt er für seine Arbeit erst, wenn er schon richtig viel Zeit reingesteckt hat. „Für Leute, die finanzielle Sicherheit brauchen, ist das nichts.“

Im dicken Auto auf einem roten Teppich abgeladen zu werden, ist nur eine Randerscheinung des Filmgeschäfts. Fabian Gasmia fasst das noch einmal mit einem Lieblingsspruch der Branche zusammen: „Wie wird man im Filmgeschäft Millionär? Indem man eine Milliarde investiert.“

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