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Siemens: Neue Erkenntnisse aus der Medizin

Zum ersten Mal muss ein aktiver Siemens-Vorstand wegen der Korruptionsaffäre gehen. Erich Reinhardt war erst im November an die Spitze der Gesundheitssparte ernannt worden.

Berlin - Erneuter Rückschlag für Siemens-Chef Peter Löscher: Nur eine Woche vor der Vorlage der Zahlen zum ersten Halbjahr tritt erstmals ein aktives Mitglied seines Vorstands im Zuge der Schmiergeldaffäre zurück. Erich Reinhardt, der an der Spitze der Gesundheitssparte steht, war erst im November gemeinsam mit den zwei anderen Sektoren-Chefs ernannt worden. Damals stellte Löscher die Weichen für die größte Reorganisation des Unternehmens in seiner 160jährigen Geschichte und betonte: „Jedes Vorstandsmitglied wie auch das Gremium insgesamt sind unserem Anspruch nach Spitzenleistung auf höchstem ethischen Niveau verpflichtet.“

Kurz nach der Neuaufstellung musste Löscher aber bereits die Ernennung eines Finanzvorstandes im Sektor Industrie vorsorglich zurückziehen. Grund waren neue Erkenntnisse aus dem Nürnberger Ermittlungsverfahren um Schmiergeldzahlungen an die Arbeitnehmerorganisation AUB. Nun geht Reinhardt, der seit 1983 bei Siemens ist, seit 1994 die Medizintechnik leitet und seit 2001 im Vorstand sitzt. Bisher stand die Medizintechnik nicht im Zentrum der Ermittlungen. Doch bereits im Januar hatte Siemens erklärt, auch in diesem Bereich auf fragwürdige Zahlungen von 44 Millionen Euro in Deutschland gestoßen zu sein. Insgesamt ist im Konzern von dubiosen Zahlungen im Volumen von 1,3 Milliarden Euro die Rede. Zu den Beschuldigten gehören der frühere Finanzvorstand Heinz- Joachim Neubürger und Ex-Vorstand Thomas Ganswindt, der für die Kommunikationssparte zuständig war.

Nun haben die intern ermittelnden Anwälte der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton in der Medizintechnik „neue Erkenntnisse“ gewonnen – Details gab Siemens nicht bekannt. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und Löscher teilten am Mittwoch mit, nach heutigem Stand sei Reinhardt persönlich nichts vorzuwerfen. Doch kommende Woche legen die US-Anwälte ihren neuen Zwischenbericht dem Aufsichtsrat vor.

Der Aktienkurs reagierte zunächst mit einem deutlichen Einbruch auf die Meldung vom Rücktritt Reinhardts, blieb aber im Plus. Siemens ist der drittgrößte Anbieter von Medizintechnik weltweit. Der Sektor Gesundheit (Umsatz: rund elf Milliarden Euro) ist nach Industrie (40 Milliarden) und Energie (20 Milliarden) zwar der kleinste der drei Siemens-Sektoren, doch gilt er als hoch profitabel und zukunftsträchtig. Reinhardt hat die Sparte aus der Verlustzone gebracht und zu einem wesentlichen Ergebnisträger gemacht. Im vergangenen Jahr kaufte er in den USA den Diagnosespezialisten Dade Behring hinzu und wurde wegen des hohen Kaufpreises von sieben Milliarden Dollar stark kritisiert. Der frühere Chef von Dade Behring, Jim Reid-Anderson, soll nun sein Nachfolger werden.

„Das Timing für den Rücktritt ist eine Woche vor den Quartalszahlen ausgesprochen ungünstig“, sagte Analyst Frank Rothauge vom Bankhaus Sal. Oppenheim dem Tagesspiegel. „Es lässt die Spekulation zu, dass die Ergebnisse schlecht sind.“ Zuletzt hatte einer der wichtigsten Konkurrenten von Siemens, der US-Konzern General Electric, in der Medizintechnik ebenfalls ein schwaches Ergebnis präsentiert. Es könnte sich auch herausstellen, dass der Kauf von Dade Behring nicht so viele positive Synergien für das Unternehmen bringt wie bisher prognostiziert, befürchtet Rothauge.

Die Argumentation, dass Reinhardt sich in der Schmiergeldaffäre nichts vorzuwerfen habe und dennoch eine Woche vor Vorlage der Zahlen zurücktritt, hält der Analyst jedenfalls für nicht überzeugend. „Wenn nichts vorliegt, muss sich Herr Löscher fragen lassen, ob seine Informationspolitik sehr geschickt ist“, sagte Rothauge. „Die ständige Verunsicherung der Aktionäre durch solche Geschichten ist nicht sehr hilfreich.“

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