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Siemens

© promo, dpa

Siemens: Was bleibt

Mit Telekommunikation ist Siemens groß geworden, doch Telefone oder Computer baut das Unternehmen heute nicht mehr. Die Neuausrichtung könnte sich in der Rezession auszahlen.

Berlin - Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß. Diesen Spruch verwenden Siemensianer immer wieder gern, etwas selbstironisch und auch ein wenig kokett. Er beschreibt die Tatsache, dass das Unternehmen so groß und vielfältig ist, dass kaum jemand überblicken kann, welches Wissen in den Köpfen der rund 400 000 Mitarbeiter weltweit steckt. Siemens produziert Glühlampen ebenso wie Lokomotiven, aber auch Hörgeräte, Gasturbinen und Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung. Dabei hat Siemens noch ein anderes Wahrnehmungsproblem: Die Menschen verbanden und verbinden mit dem Namen oft Dinge, die sie anfassen können – Handys zum Beispiel. Doch Telefone und Computer produziert das Unternehmen nicht mehr. Siemens sieht sich selbst als das Unternehmen, das Antworten gibt auf die großen Themen der Zukunft: auf die Alterung der Gesellschaft, die Umweltprobleme und die Verstädterung. Seit 2005 ist der radikale Umbau im Gange. Verkauft wird, was nicht in die Strategie passt – oder nicht die geforderte Rendite bringt. Seit Anfang 2008 teilt sich der Konzern in die drei Sektoren: Industrie, Energie und Gesundheit.

Der Konzernumbau wird auch in der Bilanz des Ende September abgelaufenen Geschäftsjahres ablesbar sein. Wenn Vorstandschef Peter Löscher die Zahlen am kommenden Donnerstag vorlegt, werden allein im vierten Quartal Sonderlasten von drei Milliarden Euro in den Büchern stehen. Das sind unter anderem die Kosten für den Abbau von 17 200 Stellen und für den Verkauf der Schnurlostelefonsparte sowie der Sparte für Unternehmensnetzwerke. In großen Firmen wie Siemens fallen alljährlich Restrukturierungskosten an, doch normalerweise liegen sie im Bereich von ein paar hundert Millionen, nicht von mehreren Milliarden.

Eine weitere Milliarde stellt Siemens für die erwarteten Strafen in der Korruptionsaffäre zurück. Auch die Affäre, die das Unternehmen seit Herbst 2006 in Atem hält, hat den Konzern radikal verändert. Siemens ist schlanker geworden, eine neue Generation von Managern sitzt in den Führungspositionen. Auch der Arbeitsalltag vieler Siemensianer hat sich verändert: Siemens ist jetzt vorbildlich, was Fragen der Compliance, also der Einhaltung von Vorschriften angeht.

Seit vielen Monaten hat der Amerikaner Peter Solmssen, Vorstand für Recht und Compliance, mit seinem Team intensiv mit deutschen und amerikanischen Behörden verhandelt, um den Schaden für das Unternehmen aus der Korruptionsaffäre möglichst gering zu halten. Dass Siemens nun eine Milliarde Euro zurückstellt, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Einigung mit der US-Börsenaufsicht SEC und dem US-Justizministerium kurz bevorsteht und auch die Höhe der Strafe recht genau absehbar ist. Wäre das nicht der Fall, dürfte Siemens nach den internationalen Bilanzregeln noch gar keine Rückstellung dafür bilden.

Vorstandschef Löscher hat dafür gesorgt, dass so viele Altlasten wie möglich noch im abgelaufenen Geschäftsjahr verbucht werden. Siemens kann sie dann mit dem Gewinn aus dem Verkauf des Autozulieferers VDO verrechnen, um die Steuerlast zu drücken. Der Gewinn aus der Trennung vom Computerbauer Fujitsu-Siemens fällt allerdings erst im kommenden Jahr an.

„Löscher ist sehr ehrgeizig mit seinen Projekten“, urteilt Analyst Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck. „Dabei geht er jedoch nicht so aggressiv vor wie sein Vorgänger Klaus Kleinfeld.“ Der Analyst hält die Neuausrichtung für „absolut richtig“. Und er sieht das Unternehmen relativ gut gewappnet für die drohende Rezession. „Die meisten Geschäfte von Siemens sind Projekte, die eine Laufzeit von mehr als einem Jahr haben“, sagt Kitz. Siemens könne daher gelassen auf das kommende Jahr blicken. „Mit dem hohen Auftragsbestand kann das Unternehmen 2009 gut überleben.“ Projekte wie der Bau eines neuen Kraftwerks oder die Anschaffung neuer Züge seien in der Regel nicht abhängig von kurzfristigen Konjunkturentwicklungen. „Da sind noch viele Kraftwerksprojekte in der Pipeline“, sagt Kitz. „Der Bereich boomt.“ Anders sehe es zum Bespiel in der Automatisierungstechnik aus, hier könnten Aufträge storniert werden. Dennoch ist Kitz zuversichtlich, dass das Geschäft weitergeht und dass auch die nötigen Mittel für Investitionen zur Verfügung stehen. Denn bei der Finanzierung könnten die Siemens Financial Services helfen. Eine eigene Bank hat Siemens nämlich auch.

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