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Wirtschaft: Sog aus dem Osten

China und Europa buhlen um Energie aus Russland. Neue Pipelines verstärken den Konkurrenzkampf

Moskau/Berlin - Als der russische Präsident Wladimir Putin die Energiesicherheit zum Top-Thema des G-8-Gipfels erklärte, war ihm wohl nicht klar, welche Reaktionen er damit heraufbeschwor. Denn seit der Kreml gegenüber unbotmäßigen Ex-Vasallen die Energie-Keule schwingt, begegnet der Westen Moskau mit Misstrauen. Energiesicherheit mit oder ohne Russland lautet die Frage, die sich die Europäer stellen. Zumal Putin nichts tut, um Zweifel auszuräumen. Im Gegenteil.

Schon im Februar warnte die regierungsnahe „Iswestija“, beim Zugriff auf russische Öl- und Gasvorkommen müsse Westeuropa künftig knallhart mit den Staaten der Pazifikregion konkurrieren. Dass es sich dabei nicht um leere Drohungen handelte, wurde spätestens bei Putins Chinabesuch Ende März klar. Peking, das den Energiehunger seiner boomenden Volkswirtschaft bisher durch Importe aus den Golfstaaten stillte, will sich künftig vor allem in Russland und in Zentralasien mit Öl und Gas eindecken. Russische Energiekonzerne handelten dazu Abkommen mit einem Gesamtvolumen von stolzen 20 Milliarden Dollar aus.

Der Deal zahlt sich für beide Seiten aus. Moskau und Peking sind seit Mitte der 90er Jahre strategische Partner und haben gemeinsam das Sagen in der Schanghai-Organisation, die sich als Gegengewicht zu Nato und Opec in Szene setzt. Mitglieder sind die öl- und gasreichen zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken, Iran ist Beobachter. Moskau versucht, über die Schanghai-Organisation die USA aus der Region zu verdrängen, Peking wiederum will sich das Vorkaufsrecht für Energieträger sichern. Der Bedarf steigt schließlich ständig: allein bei Gas um 20 Prozent pro Jahr.

In Westeuropa klingeln deshalb die Alarmglocken. So sind die Vorräte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zwar immens, aber keineswegs unbegrenzt. Schon ab 2010, wenn die umstrittene Ostsee-Gaspipeline ans Netz geht, entwickelt sich die Förderung im europäischen Teil Russlands und in Westsibirien – also in den Lieferregionen für Westeuropa – rückläufig. Das gilt vor allem für die so genannten „Big Three“: die Felder von Urengoi, Jamburg und Medweschije, aus denen die EU den Großteil ihrer Importe bezieht.

Auf eben diese Vorkommen haben aber auch China und die USA Ansprüche erhoben. Washingtons Begehrlichkeiten gelten hauptsächlich dem Shtokman- Feld im Schelf des Nördlichen Eismeers. Auf die „Big Three“ dagegen greift auch die so genannte Westpipeline zurück. Sie führt nach China und ist die erste von zwei Leitungen, die ab 2011 russisches Gas in das Reich der Mitte pumpen sollen. Weitere Röhren sind geplant: Ab 2011 verlagert Russland seine Gas- und Ölförderung konsequent nach Osten.

Dem Bundesverband der deutschen Industrie bereitet das aber noch keine Sorge. „Natürlich wird sich China bemühen, Gas nach Osten abzuziehen“, sagte der Vorsitzende des BDI-Energieausschusses, Gernot Schaefer, dem Tagesspiegel. „Aber der Westen ist für Russland mindestens genauso wichtig. Das wird Moskau stets beachten.“ Dass die Russen mit Blick auf China den Europäern die Preise diktieren, glaubt Schaefer nicht. „Gaspreise entstehen an den internationalen Märkten“, sagte er.

Trotzdem: In Brüssel sucht man nach Alternativen. Doch das geplante zentralasiatische Pipelineprojekt – Kostenvoranschlag fünf Milliarden Euro – ist ein Hochrisiko-Unternehmen. Die Region ist politisch instabil, ebenso die potenziellen Transitstaaten im Südkaukasus. Vor allem aber haben sich Russlands staatsnaher Monopolist Gasprom und Chinas Staatskonzerne CNPC und Sinopec längst nahezu die gesamte Gasförderung der Region durch langfristige Abkommen gesichert. Allein diese Importe sorgen dafür, dass Gasprom momentan noch Produktionssteigerungen vorweisen kann: mickrige 1,3 Prozent pro Jahr.

Wenn 2008 die zwei Pipelines ans Netz gehen, die China baut, um die Gasfelder in Turkmenien und Kasachstan anzuzapfen, ist es damit vorbei. Rivalitäten, die zwischen Russland und China schon jetzt bestehen, dürften dann eskalieren. Beobachter sehen darin bereits eine Chance für Europa: Wenn es sich in der Region aktiver einbringt, könnte es von dieser Konstellation sogar profitieren.

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