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Wirtschaft: Sommer, Sonne, Arbeit

Eine abgeschlossene Ausbildung ist noch längst keine Garantie für einen Job. Ein Auslandsaufenthalt kann die Chancen erheblich verbessern

Stephanie Lehmann wusste nach ihrer Ausbildung zur Fotografin zunächst nicht, wie sie im Berufsleben Fuß fassen sollte. Sie beschloss, sich weiterzuqualifizieren, und nahm an dem Programm „Arbeitsplatz Europa“ des bbw Bildungswerkes der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg teil. Im Rahmen des Programmes lernte sie vier Monate Spanisch, zwei Monate in Berlin und zwei Monate in der spanischen Stadt Valladolid, die zweieinhalb Autostunden nördlich von Madrid liegt. Dort auch arbeitete sie als Praktikantin acht Monate lang für die Tageszeitung El Norte de Castilla. „Das war ganz schön stressig. Teilweise hatte ich vier oder fünf Termine an einem Tag“, berichtet die Fotografin.

Doch die Erfahrungen, die sie dort gemacht hat, haben sich gelohnt. Nach ihrer Rückkehr dauerte es nicht lange, bis sie einen Job fand. Heute kann sie gut von der Fotografie leben, sagt sie.

Lange war es vor allem für Akademiker angesagt, Berufserfahrungen im Ausland zu sammeln. Inzwischen gehen auch immer häufiger junge Menschen nach der Ausbildung und manchmal auch bereits in der Lehre in die Ferne. Es gibt zahlreiche Förderprogramme, die das unterstützen – und die Zahl der jungen Menschen, die sie nutzen, steigt. So haben im vergangenen Jahr allein 1500 Azubis in Deutschland, von der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer unterstützt, einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland verbracht.

Mit dem Programm „Arbeitsplatz Europa“ sind mehr als 1300 junge Berliner seit 1993, dem Jahr in dem die Förderung eingeführt wurde, ins Ausland gegangen, berichtet Alfred Wollenhaupt vom bbw. Um das Programm kann sich bewerben, wer arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet ist, noch nicht 27 Jahre alt ist und eine Berufsausbildung abgeschlossen hat.

Das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit gefördert Programm findet in der Regel zweimal im Jahr statt. Die Praktikumsplätze werden über das Bildungswerk vermittelt. Die Kosten für die Hin- und Rückreise werden erstattet. Während des Sprachkurses und des Praktikums werden die Teilnehmer finanziell unterstützt.

Sprachkenntnisse und interkulturelle Fähigkeiten sind nicht das einzige, was die Praktikanten jenseits der Heimat lernen. „Im Ausland erfahren die Jugendlichen, dass Verantwortung nicht nur eine leere Worthülse ist“, sagt Wollenhaupt. Die Praktikanten würden an Reife gewinnen und erwachsener werden. „Das Praktikum hat mich vor allem selbstbewusster und unabhängiger gemacht“, sagt Stephanie Lehmann.

Nach dem Auslandsaufenthalt haben die Teilnehmer oft bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. So auch Geraldine Prange. Die gelernte Kauffrau für audiovisuelle Medien hatte nach ihrer Lehre zunächst nur kleinere Jobs, bis eine Freundin sie auf „Arbeitsplatz Europa“ aufmerksam machte. Sie bewarb sich – und ging als Praktikantin zu einer kleinen Medienproduktionsfirma in Spanien.

Als sie nach Deutschland zurückkam, konnte sie sofort bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber anfangen. Dabei war das vorher gar nicht geplant. Doch die Filmproduktionsfirma, bei der sie ihre Ausbildung gemacht hatte, suchte einen Mitarbeiter für ein Projekt in Spanien, der die Landessprache beherrscht. Das passte perfekt. Geraldine Prange arbeitet dort jetzt als Produktionsassistentin.

Viele Azubis müssen gar nicht erst warten, bis sie den Abschluss gemacht haben. Inzwischen schicken viele Unternehmen ihre jungen Mitarbeiter bereits während der Lehre ins Ausland. „In einer zunehmend globalisierten Welt wird es immer wichtiger, zu verstehen, wie Menschen anderer Nationalitäten ticken und wie deren Alltag aussieht“, sagt der Personalchef des Flugzeugherstellers Airbus, Joachim Sauer. Das Unternehmen bietet seinen Azubis in einem speziellen Programm die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen. Angehende Elektrotechniker, Werkstoffprüfer und Verfahrenstechniker können zwischen einem und sechs Monaten an einem der europäischen Standorte des Unternehmens arbeiten.

Die Europäische Union unterstützt das. Das Programm wird im Rahmen des Leonardo da Vinci Programms „Mobilität“ gefördert. Als internationales Unternehmen sei es für Airbus sinnvoll, dass schon die Auszubildenden internationale Erfahrung sammeln und Fremdsprachen gut beherrschen, erklärt Sauer. Schließlich komme durchaus auch ein Verfahrenstechniker bei Airbus in Kontakt mit Kunden aus aller Welt.

Für die Firmen haben solche Angebote einen weiteren Vorteil. „Auslandsaufenthalte während der Ausbildung sind für junge Menschen eine gefragte Abwechslung zum Alltag“, ist sich Christoph von Knobelsdorff von der IHK Berlin sicher. „Unternehmen die Ausbildungsaufenthalte im Ausland anbieten, sind attraktiv und verbessern so in Zeiten des Fachkräftemangels ihre Ausgangslage im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte“, sagt der IHK-Geschäftsführer für den Bereich Aus- und Weiterbildung.

Für die Ausbildungsbetriebe sei es außerdem ideal, wenn die Praktika einen Bezug zu ihrem Auslandsengagement haben, die Azubis also zum Beispiel bei einem Partnerunternehmen tätig sind.

Für Geraldine Prange und Stephanie Lehmann hat sich der Aufenthalt in Spanien auf jeden Fall gelohnt. Jungen Fachkräften, die wie sie ins Ausland gehen wollen, raten sie, die Zeit vor Ort aktiv zu nutzen. Um die Sprache zu lernen und sich mit der Kultur vertraut zu machen, haben sie immer wieder den Kontakt zu Kollegen und Einheimischen gesucht. An ihren freien Tagen sind sie durchs Land gereist.

Simon Poelchau

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