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Wirtschaft: SPD-Politiker für Freibeträge bei Sozialabgaben

Studie: Im Niedriglohnsektor könnten so bis zu 670000 neue Jobs entstehen / Auch Union hält Idee für „bedenkenswert“

Berlin - Vor den Neuwahlen bildet sich eine parteiübergreifende Allianz, die den Niedriglohnsektor in Deutschland stärker fördern will. Der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner sprach sich dafür aus, die Forderung nach einem Freibetrag bei den Sozialabgaben in das Wahlmanifest der SPD aufzunehmen. „Wir müssen neue Beschäftigungsmöglichkeiten erschließen“, sagte Brandner dem Tagesspiegel. Grünen-Fraktionsvize Thea Dückert legte ein „Progressiv-Modell“ zur Entlastung geringer Einkommen vor. Im CDU-Sozialflügel stoßen die Überlegungen aus den Reihen der rot-grünen Koalition grundsätzlich auf Zustimmung.

Ein Freibetrag bei den Sozialabgaben würde die Lohnnebenkosten senken. Arbeitnehmern bliebe netto mehr von ihrem Gehalt, für Unternehmer würde Arbeit billiger. Wissenschaftler rechnen damit, dass zahlreiche neue Jobs im unteren Einkommensbereich entstehen könnten. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Michael Sommer, hatte bereits vor zwei Jahren einen Freibetrag angeregt – damals aber ohne Echo.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kommt in einer Studie im Auftrag des DGB zum Ergebnis, dass bei einem Freibetrag von 250 Euro bis zu 670000 neue Jobs entstehen könnten. Allerdings würden gleichzeitig Ausfälle bei den Sozialabgaben in Höhe von 36 Milliarden Euro entstehen. Diese Summe müsste zumindest teilweise durch höhere Steuern ausgeglichen werden. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Rainer Wend (SPD), rechnet damit, dass im unteren Einkommensbereich viele neue Jobs möglich sind. „Unser Problem sind nicht die Ingenieure, sondern die Geringqualifizierten“, sagt Wend.

Auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat Sympathie für die Freibeträge erkennen lassen. Er könne seiner Partei das Modell aber nicht aufdrücken, weil die Finanzierung offen sei, sagte Clement Anfang letzter Woche. Der SPD-Arbeitsmarktexperte Brandner ist da offensiver: „Ich plädiere dafür, das Thema ins Wahlmanifest aufzunehmen.“

Grünen-Fraktionsvize Dückert möchte die Förderung stärker auf den unteren Einkommensbereich konzentrieren. Anstelle eines generellen Freibetrags schlägt sie analog zum Steuersystem progressiv steigende Sozialabgaben vor. „Die hohen Lohnnebenkosten erweisen sich besonders dort als Bremse für neue Arbeitsplätze, wo außerhalb der klassischen Industrie gearbeitet wird“, sagt die Arbeitsmarktexpertin. Dückerts Idee findet sich auch im Entwurf fürs Wahlprogramm der Grünen, das am Montag im Bundesvorstand beschlossen wird.

Konkret schlägt Dückert vor, dass erst ab einem Bruttoeinkommen von 2000 Euro die vollen Sozialabgaben von derzeit 42 Prozent fällig werden sollen. Bis dahin sollen die Abgaben sukzessive steigen. Bei einem Bruttoverdienst von 400 Euro sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam 20 Prozent Abgaben an die Sozialkassen zahlen, bei 800 Euro 25 Prozent, bei 1200 Euro 30 Prozent und bei 1600 Euro 35 Prozent. Arbeitnehmer wären ab dem ersten verdienten Euro Mitglied der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. „Dann wären auch Minijobber sozial abgesichert“, argumentiert Dückert.

Auch die Union will den Niedriglohnsektor erschließen. CDU-Präsidiumsmitglied Karl-Josef Laumann bezeichnete die Idee, Sozialabgaben im unteren Einkommensbereich stärker über Steuern zu finanzieren, als „bedenkenswert“. Im Wahlprogramm der Union soll aber der Schwerpunkt bei Lohnkostenzuschüssen für Geringverdiener liegen – den so genannten Kombilöhnen.

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