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Wirtschaft: SPD will Ärzte bestrafen

Gesundheitsexperte Kirschner: Wer zu viele Medikamente verschreibt, soll zahlen – Arzneiausgaben steigen weiter

Berlin (ce/pet). Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD), fordert, Ärzte finanziell zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie nicht nur das medizinisch Notwendige oder zu teure Medikamente verschreiben. Das geht weit über die bisher bekannten Reformansätze von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hinaus. Die Ministerin hatte die Regresspflicht der Ärzte zu Beginn ihrer Amtszeit abgeschafft. Seitdem steigen die Arzneimittelkosten deutlich stärker, als vorher. Schmidt kritisierte am Donnerstag in Berlin, es würden immer noch zu viele teure Arzneimittel mit unklarem Nutzen verordnet.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD), sagte dem Tagesspiegel am Mittwoch: „Die Ärzte müssen in Einzelregress genommen werden. Sonst laufen uns die Ausgaben für Arznei und Heilmittel davon.“ Die Krankenkassen müssten die Möglichkeit haben, die Honorare zu kürzen, sagte Kirschner.

Im Jahr 2001 waren die Ausgaben für Medikamente um 11,2 Prozent gestiegen. Auch 2002 hatten sie – trotz verschiedener Sparprogramme – um fünf Prozent zugelegt. Der Ausgabenanstieg sei durch nichts zu rechtfertigen, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker. Denn bei den Medikamenten habe es keinen Durchbruch gegeben. Um die Medikamentenausgaben zu begrenzen, hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr die sogenannte Aut-idem-Regelung eingeführt, wonach Ärzte nicht mehr ein bestimmtes Medikament, sondern nur einen Wirkstoff verschreiben. Außerdem hatten die Ärzte sich per freiwilliger Zielvereinbarung mit den Kassen verpflichtet, die Arzneimittelausgaben um bis zu fünf Prozent unter das Niveau von 2001 zu drücken. Die Ärzte haben trotzdem mehr verschrieben.

Die Mediziner verteidigen ihr Verschreibungsverhalten. „Wir verordnen das aus medizinischer Sicht Notwendige“, sagte Manfred Richter-Reichhelm, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dieser Zeitung. Den Vorschlag des SPD-Gesundheitsexperten wies der Ärzte-Vertreter zurück. „Die Verquickung der ärztlichen Vergütung mit dem Arzneimittel-Etat lehnen wir ab.“ Wenn der Arzt aus Angst, direkt in Regress genommen zu werden, bestimmte Medikamente nicht mehr verschreibe, könnte das eine Gefahr für Patienten darstellen.

Nach Meinung von Experten könnten dagegen durch die Verschreibung gleichwertiger billigerer Medikamenten dem Gesundheitswesen Millionen erspart werden. Wie eine am Mittwoch vorgestellte Studie des Gesundheitsökonomen Karl Lauterbach im Auftrag der Barmer Ersatzkasse ergab, könnte dadurch allein die Barmer bei Patienten mit Bluthochdruck 80 Millionen Euro einsparen. Auf sämtliche Krankenkassen hochgerechnet mache dies 720 Millionen Euro aus, rechnete Barmer-Chef Eckart Fiedler vor. Bundesgesundheitsministerin Schmidt sieht sich durch die Studie in ihren Reformansätzen bestätigt. Notwendig seien „weitere Schritte zu mehr Rationalität in der Arzneimitteltherapie“. Schmidt will unter anderem mit einer Positivliste für Arzneien und einer zusätzlichen Effizienzkontrolle für die Präparate die Kosten drücken.

Die Union sieht die Entwicklung der Arzneimittelausgaben dagegen nicht als dramatisch an. „Wir müssen die Einnahmeprobleme der Krankenkassen in den Griff bekommen, etwa über Zuzahlungen bei Medikamenten und Selbstbehalte“, sagte der CDU-Sozialpolitiker Andreas Storm dem Tagesspiegel. Mit den gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsrabatten unternehme Gesundheitsministerin Schmidt den Versuch, „mit der Dampfwalze die deutsche Apothekenlandschaft kaputt zu machen“.

Auch der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) hält die Ausgabensteigerung bei den Pillen und Zäpfchen nicht für das Hauptproblem. „Mit ihrem ständigen Verweisen auf die Ausgabensteigerung bei den Arzneimitteln lenkt Ulla Schmidt vom eigentlichen Problem der gesetzlichen Krankenversicherung ab: vom Einnahmeproblem“, sagte BPI-Geschäftsführer Henning Fahrenkamp am Mittwoch.

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