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Wirtschaft: Spekulationssteuer wird geändert

Regierung will Abgeltungsteuer auf Aktien ausweiten/Verfassungsgericht prüft

Karlsruhe (ke/HB/ukn). Die Bundesregierung prüft eine Ablösung der Spekulationssteuer auf Aktiengewinne durch eine dauerhafte Besteuerung aller Gewinne aus Wertpapiergeschäften. Nach HandelsblattInformationen aus Regierungskreisen wird derzeit geprüft, ob die ab 2005 für Zinsen und Dividenden geplante einheitliche Abgeltungsteuer von voraussichtlich 25 Prozent auch auf Aktiengewinne auszuweiten sind.

Aktiengewinne werden bislang zur Hälfte wie Einkommen mit dem individuellen Steuersatz des Anlegers versteuert, sofern An- und Verkauf der Aktien innerhalb eines Jahres erfolgen. Gegen diese Regelung läuft eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dort bestätigte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Barbara Hendricks, am Dienstag die Reformabsichten bei der Spekulationssteuer, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen.

Die bestehenden Mängel bei der Versteuerung von Aktiengewinnen stehen seit Dienstag auf dem Prüfstand des Verfassungsgerichts. Das Urteil des Zweiten Senats wird frühestens in drei Monaten erwartet. Anlass der mündlichen Verhandlung war die Vorlage des Bundesfinanzhofs in München, der die mangelhaften Kontrollen zur Erfassung der Aktiengewinne für eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen hält. Wer freiwillig seine Gewinne aus Aktienverkäufen innerhalb der Spekulationsfrist angebe, werde benachteiligt.

Bund macht Banken verantwortlich

Einigkeit bestand in der mündlichen Anhörung darüber, dass sich die Kontrollen darüber, wer seine Aktien innerhalb der Spekulationsfrist verkauft und dabei Gewinne erzielt, sehr schwierig gestalten. Für die Bundesregierung räumte Staatssekretärin Hendricks Mängel ein, machte dafür aber vor allem das Verhalten der Banken und die unterschiedliche Rechtsprechung verantwortlich.

Die Finanzämter und Finanzdirektionen würden dagegen ihre Ermittlungsmöglichkeiten rigoros einsetzen. Entsprechend hätte sich die Höhe der erfassten Gewinne zwischen 1995 und 1998 vervierfacht. Als klärungsbedürftig bezeichnete die Staatssekretärin dagegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Nach Meinung einiger Finanzrichter sind die Banken erst dann zur Auskunft über bestimmte Kundendepots verpflichtet, wenn ein strafrechtlicher Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung besteht. Andere Senate des Bundesfinanzhofs lassen dagegen eine niedrigere Schwelle gelten, um Banken zur Auskunft zu verpflichten. Wegen dieser abweichenden Richtermeinungen berufen sich die Banken auf ihr Bankgeheimnis: Sie wehren sich dagegen, Kunden mit bestimmten Depotnummern bekannt zu geben, wie Praktiker vor dem Zweiten Senat des Verfassungsgerichts am Dienstag ausführten. Dass der BFH die unterschiedliche Rechtsprechung nicht vom eigenen Großen Senat klären lässt, nannte Hendricks auf Nachfragen von Journalisten „merkwürdig“.

Wie hoch die Steuerausfälle des Fiskus jährlich sind, weil Steuerpflichtige ihre Kursgewinne nicht anmelden, blieb in der Verhandlung mangels verlässlicher Zahlen umstritten. Während die Deutsche Steuer-Gewerkschaft die Höhe nicht versteuerter Spekulationsgewinne auf insgesamt rund 15 Milliarden Euro schätzt, geht das Deutsche Aktieninstitut von nur 150 Millionen Euro jährlich aus. Die Zahlen des Aktieninstituts wurden von der Richterbank jedoch stark in Zweifel gezogen.

Juristisch ging es vor dem Zweiten Senat vor allem um die Frage, ob die strukturellen Defizite bei der Erfassung von Spekulationsgewinnen so hoch sind, dass die Vorschrift selbst verfassungswidrig geworden ist. Das hatte der Zweite Senat 1991 im Falle der Zinsbesteuerung festgestellt. Damals waren Zinseinkünfte in der Praxis kaum besteuert worden, weil es keine Kontrollen gab. Der Zweite Senat muss nun entscheiden, ob es sich mit der Spekulationssteuer genauso verhält. Die Banken befürchten vor allem, dass Karlsruhe das Bankengeheimnis lockern könnte.

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