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Wirtschaft: Stagnation wäre schon gut

Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist schlechter als die Lage/Industrie gibt 2003 fast verloren

Düsseldorf (dih/HB). Prognosen für 2003 aufzustellen, ist eine heikle Aufgabe. Das hat Bernd Pischetsrieder, Vorstandschef von VW, gerade auf die harte Tour gelernt. Bei der Veröffentlichung erster Jahreszahlen im Februar vermied der Wolfsburger Autokonzern noch jede Aussage, was an der Börse mit Murren aufgenommen wurde. Auf der Bilanzpressekonferenz am vergangenen Dienstag sagte Pischetsrieder dann, dass das operative Ergebnis des Konzerns im laufenden Jahr sinken werde – und der Aktienkurs stürzte um mehr als zehn Prozent ab.

Kein Wunder also, dass bisher die meisten großen Unternehmen des Deutschen Aktienindex (Dax) auf einen Ausblick für das laufende Jahr verzichtet haben. Mehrere führende Konzerne verweigerten auf ihren Bilanzpressekonferenzen sogar ausdrücklich jegliche Prognose für 2003 – darunter DaimlerChrysler, Thyssen-Krupp und Linde.

Während die großen Unternehmen sich scheuen, die negative Stimmung an den Finanzmärkten weiter zu verstärken, haben mehrere Branchenverbände noch vor Ablauf des ersten Quartals ihre Schätzungen für das laufende Jahr zurückgenommen. Der Verband der Chemischen Industrie etwa senkte seine Prognose auf bestenfalls zwei Prozent Umsatzwachstum. Zum Jahresende hatte er noch ein Plus von drei Prozent in Aussicht gestellt. Doch damit steht die Chemie unter den wichtigsten deutschen Branchen immer noch am besten da. Am unteren Ende der Skala, bei den konsumnahen Wirtschaftsbereichen, macht sich schon Resignation breit. Dachte der Handel noch zum Jahreswechsel, das Schlimmste überstanden zu haben, rechnet er jetzt mit einem weiteren Umsatzrückgang. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels korrigierte nach einem unerwartet schwachen Januar seine Umsatzprognose von minus 0,5 Prozent auf minus 1,5 Prozent.

Ähnlich deprimierend sieht es wie schon seit vielen Jahren am Bau aus: Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes senkte seine Umsatzerwartung seit Jahresbeginn von minus zwei auf inzwischen minus 2,5 Prozent, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sogar von minus drei auf minus 3,8 Prozent. Irgendwo zwischen Gut und Böse bewegen sich die anderen großen Branchen: Autohersteller, Informationstechnologie- und Telekommunikationsfirmen sowie Maschinenbauer rechnen mit stagnierenden Geschäften und hoffen, dass es wenigstens eine „schwarze Null“ wird.

Die Hoffnungen ruhen auf dem Auslandsgeschäft, das in den vergangenen Jahren die Umsatzeinbrüche im Inland meist kompensieren konnte. Doch genau hier sind die Risiken am größten: „Zu den Auslandsorders lässt sich aktuell keine seriöse Prognose abgeben“, sagt etwa Diether Klingelnberg, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Die Irak-Krise und die Angst vor Terror-Anschlägen ließen Unternehmen weltweit vor Investitionen zurückschrecken.

„So unsicher wie derzeit waren wir selten“, sagt Reinhard Hild, Branchenkonjunktur-Experte beim Münchener Ifo-Institut. Im Januar seien die Aussichten für die deutsche Industrie noch gar nicht so übel gewesen. Hersteller von Vorleistungsgütern wie Chemie- und Metallindustrie hätten die Konjunktur getragen und die Auftragseingänge gaben Anlass zur Hoffnung. Das hatte sich seinerzeit auch in einem überraschenden Anstieg des Ifo-Geschäftsklima-Indexes niedergeschlagen. Doch diese positiven Ansätze seien inzwischen versandet, sagte Hild. Zum Beispiel auch in der Autoindustrie, für die die Ifo-Experten zu Jahresbeginn noch ein Wachstum von drei Prozent vorausgesagt hatten.

Kurt Demmer, Chefvolkswirt bei der Düsseldorfer IKB Deutsche Industriebank AG, hatte zu Jahresbeginn Signale für eine konjunkturelle Belebung ausgemacht. Vor allem bei Grundstoffen und Investitionsgütern hätten sich die Auftragseingänge durchaus positiv entwickelt, sagt er. Doch die Impulse aus dem Ausland verpufften, weil die Stimmung in Deutschland so schlecht sei. Auch der nicht enden wollende Verfall der Aktienkurse dämpfe die Lust der Deutschen, zu investieren und zu konsumieren. „Der Auftragseingang ist so übel nicht“, fasst Demmer zusammen, „aber die Kombination aus Irak-Krise, Reformstau in Deutschland und den negativen Nachrichten von der Börse verhindert, dass der Funke überspringt“.

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