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Wirtschaft: Steuerreform zwingt Pharmafirmen zu Preissenkungen

Durch die höhere Mehrwertsteuer würden viele Medikamente teurer als die Kassen erlauben

Berlin - Wenn am 1. Januar 2007 die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent in Kraft tritt, könnte es für viele vor allem mittelständische Arzneimittelhersteller ein böses Erwachen geben. Der Grund ist, dass die Steuererhöhung, die die Industrie normalerweise über Preiserhöhungen an Krankenkasse und Verbraucher weitergeben würde, mit den Preisobergrenzen, die die Kassen maximal erstatten. Diese so genannten Festbeträge haben die Krankenkassen inzwischen für rund 50 Prozent des Umsatzes mit rezeptpflichtigen Medikamenten festgelegt.

Medikamente, die teurer als diese Festbeträge sind, werden in der Regel von den Ärzten nicht mehr verordnet. Damit werden Hersteller, deren Preise knapp unterhalb oder auf dem Festbetrag liegen, durch die höhere Steuer gezwungen, ihre Preise zu senken. Dies gilt auch für die über 2000 Medikamente, bei denen Versicherte inzwischen keine Zuzahlung mehr zahlen müssen, weil ihre Apothekenpreise inklusive Mehrwertsteuer um 30 Prozent unter dem Festbetrag liegen.

Die Industrie wäre es am liebsten, die Krankenkassen würden das Problem dadurch lösen, dass sie die Festbeträge zum 1. Januar generell um drei Prozent erhöhen. Dazu ist das Gesundheitsministerium jedoch nicht bereit. Wie Gesundheitsstaatssekretär Theo Schröder auf eine Anfrage des Gesundheitsexperten der FDP, Daniel Bahr, kürzlich erläuterte, hält das Ministerium eine Senkung der Festbeträge nur in den Fällen für gerechtfertigt, in denen die Erhöhung der Mehrwertsteuer dazu führen würde, dass nicht mehr genügend Medikamente zum Festbetrag zur Verfügung stehen.

Nun will die Industrie wenigstens erreichen, dass die Kassen im nächsten Jahr auf die turnusmäßige Anpassung der Festbeträge an die Marktentwicklung im April verzichten. „Es kann doch schon wegen des hohen bürokratischen Aufwands für unsere Mitgliedsfirmen nicht sein, dass die Kassen die Höchstpreise zweimal in kurzer Folge verändern, einmal zum 1. Januar wegen der Mehrwertsteuererhöhung und dann noch einmal zum 1. April“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller, Hans-Georg Hoffmann, dem „Handelsblatt“.

In einem Schreiben an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), das dem „Handelsblatt“ vorliegt, verweist Hoffman darauf, dass die Unternehmen bereits in diesem Jahr zwei Festbetragsanpassungen verkraften müssten. Zum April hatten die gesetzlichen Krankenkassen die Höchstpreise um insgesamt 260 Millionen Euro gesenkt. Die zweite Anpassung nach dem neuen Arzneimittelwirtschaftlichkeitsgesetz belastete die Industrie im Juli mit weiteren rund 360 Millionen Euro.

Bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung 1998 hatten die Krankenkassen bei rund einem Viertel der Festbetragsmedikamente die Höchstpreise entsprechend erhöht. Die übrigen Hersteller hatten Pech. Sie mussten ihre Preise senken, weil sie sonst Marktanteile an die Konkurrenz verloren hätten. pt (HB)

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