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Stiftungsstandort: Berlin - arm, aber anziehend

Als Stiftungsstandort wächst Berlin konstant. Ganz vorn spielt es aber noch nicht mit. Das liegt auch an seiner Geschichte.

Berlin war Spitze im vergangenen Jahr. 50 rechtsfähige Stiftungen entstanden in der Hauptstadt. „Aber leider war das eine Ausnahme“, sagt Andreas Münch von der Senatsverwaltung für Justiz. Insgesamt 711 rechtsfähige und damit unter staatlicher Aufsicht stehende Stiftungen haben ihren Sitz in Berlin angemeldet. Ihr gemeinsames Vermögen beträgt knapp über 3 Milliarden Euro. Dennoch: Im Bundesvergleich tut sich Berlin nicht besonders hervor. Mit 20 Stiftungen auf 100 000 Einwohnern liegt Berlin bei der Stiftungsdichte laut dem Bundesverband Deutscher Stiftungen sogar knapp unter dem bundesweiten Durchschnitt von 21. Im Ranking landete es damit nur Platz 46 – hinter Krefeld und Paderborn.

„Die wechselvolle Geschichte der Stadt hat wesentlich dazu beigetragen, dass Berlin sich nicht Stiftungshauptstadt nennen kann“, sagt auch Katrin Kowark vom Bundesverband Deutscher Stiftungen. Der Leiter der Berliner Stiftungsaufsichtsbehörde Andreas Münch pflichtet ihr bei: „In den 20er Jahren gab es eine Vielzahl von Stiftungen in Berlin.“ Finanziert wurden die Einrichtungen oftmals vom Großbürgertum, zu dem viele Juden zählten. Seitdem hat Berlin seine Stellung als bedeutende Stifterstadt verloren. Der nächste Einschnitt: Nach der Wende konnten lediglich 13 der Stiftungen gerettet werden, die es in der „Hauptstadt der DDR“ gegeben hatte. Gemeinnütziges Engagement, das aus privaten Vermögenssummen stammte, hatte im im Land des Volkseigentums wenig Platz. „Die Startvoraussetzungen sind daher für Berlin mit anderen Städten nicht zu vergleichen“, sagt Andreas Münch.

Vorzuzeigen hat Berlin bereits trotzdem einiges. Die zu den größten rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts gehörende Deutsche Bank Stiftung, die laut Bundesverband Deutscher Stiftungen zuletzt über ein Vermögen von 138,5 Millionen Euro verfügte, ist vor Ort ansässig, ebenso wie die Stiftung Warentest, die bei der letzten Datenerhebung 2009 rund 48 Millionen Euro ausgab und damit Platz sieben der bundesweit größten Stiftungen privaten Rechts belegte.

Zu den größten Stiftungen öffentlichen Rechts bundesweit gehört die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Mit geplanten Ausgaben von 260 Millionen Euro für das laufende Jahr ist sie die größte ihrer Art in Berlin. 23 weitere öffentlich-rechtliche Stiftungen, die einen Zweck von besonderem Interesse verfolgen und daher durch den Staat errichtet wurden, sind in der Hauptstadt angesiedelt, darunter auch die Stiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter im nationalsozialistischen Regime.

Zudem sind dem Bundesverband Deutscher Stiftungen in Berlin rund 70 nicht-rechtsfähige Stiftungen, etwa zehn Stiftungsvereine und fünf Stiftungs-GmbHs bekannt. Aber anders als bei den rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts sind genaue Daten schwer festzumachen und basieren allein auf Umfragen des Verbands.

Etwa ein Drittel aller rechtsfähigen Berliner Stiftungen verwenden ihre Gelder für soziale Zwecke wie die Pflege von Alten und Bedürftigen sowie der Jugendhilfe. Den zweiten und dritten Platz in der Liste der Stiftungszwecke nehmen die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Erziehung ein, knapp gefolgt von der Kunst und Kultur, die etwa jede 13. Stiftung als Fördergrund in seine Satzung geschrieben hat. Immer häufiger kommen Natur- und Umweltschutz sowie die Verbesserung der Völkerverständigung hinzu.

Auch wenn Berlin nicht Stiftungshauptstadt ist, klappt es zumindest gut mit dem Nachwuchs. „Auf hohem Niveau stabil“ entwickelten sich laut Berliner Stiftungsaufsichtsbehörde die Zahlen. Abgesehen von dem positiven Ausreißer im vergangen Jahr, der mit Freude aufgenommen, aber ohne passende Erklärung bleiben musste, wurden zwischen 2005 und 2009 jährlich zwischen 29 und 44 neue Stiftungen bürgerlichen Rechts in Berlin unter staatliche Aufsicht gestellt. 21 Stiftungen dieser Art mit einem Gesamtvermögen von 10 Millionen Euro sind es bis dato für dieses Jahr. Ein Rekordjahr wie 2009 wird es wohl nicht werden, auch wenn Behördenleiter Andreas Münch von der Stiftungsaufsichtsbehörde erwartet, dass bis zum Jahresende voraussichtlich „noch eine nicht unbedeutende Anzahl“ hinzukommen wird.

Aber Berlin kann, wenn schon nicht auf vermögende Einwohner, stets auf seinen Charme setzen. Es ist repräsentativ, seine Stiftung an der Spree anzusiedeln. „Zahlreiche große Stiftungen wie die Allianz- oder Bertelsmannstiftung sind in den letzten Jahren nach Berlin gezogen“, sagt Kai Drabe von der „Gentechnologiestiftung – Dr. Georg und Ingeburg Scheel Stiftung“, die Mitglied im Stiftungsnetzwerk Berlin ist. Über 90 Stiftungen sind hier seit der Gründung 2004 zusammengekommen. Über die Nähe zur Politik als positiven Standortfaktor gibt es geteilte Meinungen.

„Viele Stiftungen setzten gerade darauf, unabhängig von politischen Entscheidungen Akzente setzen zu können“, sagt Sylke Freudenthal von der Veolia Stiftung. Kai Drabe hält dagegen. „Es kommt auf die Branche an“, sagt er. „Als Gentechnologiestiftung trifft man sich schon ab und an mit Politikern, um über das ein oder andere zu sprechen.“ Aber um Einflussnahme auf die Politik gehe es im Zusammenschluss der Berliner Stiftungen nicht. „Wir haben uns zusammengetan, um uns auszutauschen, nicht, um Lobbyarbeit zu leisten“, so Drabe. Ob Berlin als Stiftungslandschaft an Bedeutung gewinnen wird, macht er von der wirtschaftlichen Lage abhängig. „Stiftungen werden in finanziell guten Zeiten errichtet. Nicht in schlechten.“

Susanne Thams

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