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Wirtschaft: „Streiks gegen den Staat sollten verboten werden“

Verwaltungswissenschaftler von Arnim darüber, warum öffentliche Bedienstete und Politiker keine wirklichen Gegner sind

Die Gewerkschaften der Beschäftigten im öffentlichen Dienst klagen, sie würden seit Jahren bei den Lohnsteigerungen benachteiligt. Haben sie Recht?

Jein, denn die öffentlich Bediensteten tragen eine besondere Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Lohnforderungen müssen sich deshalb auch an der gesamtwirtschaftlichen und haushaltspolitischen Lage der öffentlichen Kassen orientieren. Die Forderungen sind vor diesem Hintergrund nicht zu verantworten.

Werden sich die Gewerkschaften trotzdem durchsetzen?

Wahrscheinlich. Denn beim Tarifkampf im öffentlichen Dienst herrscht ein struktureller Mangel. Das Gleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist zu Gunsten der Arbeitnehmer gestört. In der Privatwirtschaft besteht, wenn die Arbeitnehmer bei den Verhandlungen überreizen, die Gefahr von Kündigungen. Im öffentlichen Dienst sind dagegen Entlassungen oft aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich. Außerdem wären Streiks eine Belastung für die Politik.

Inwiefern?

Vor Wahlen sind solche Auseinandersetzungen unbeliebt. Das trägt zum Ungleichgewicht bei. Ganz zu schweigen davon – aber das ist eher ein Kuriosum –, dass keine so genannte Gegnerfreiheit wie in der Privatwirtschaft besteht. Minister verhandeln zwar als Arbeitgeber mit den Gewerkschaften über die Löhne der Angestellten. Letztlich verhandeln sie jedoch auch über ihre eigenen Löhne, weil die sich an der Entwicklung bei den Angestellten orientieren.

Wie könnte man das Problem beheben?

Man müsste Streiks gegen den Staat verbieten. Das politisch durchzusetzen wäre allerdings eine Herkulesaufgabe. Umso wichtiger ist es, das Problem öffentlich zu diskutieren, denn die Öffentlichkeit ist ihrerseits ein wesentliches Gegengewicht. Ein weiterer Versuch wäre aber auch, die Besoldung der Beamten von den Verhandlungen bei den Angestellten im öffentlichen Dienst abzukoppeln. Zwar erfolgt eine Erhöhung der Beamtengehälter per Gesetz, orientiert sich jedoch de facto an den Angestelltentarifen. Eine Änderung wäre allerdings schwierig, denn wir haben „verbeamtete Parlamente“. Fast die Hälfte der Abgeordneten stammt aus dem öffentlichen Dienst; in den Innenausschüssen, die für Gesetzesänderungen in der Angelegenheit zuständig wären, sind es sogar bis zu drei Viertel.

Was halten Sie von dem Vorschlag, die Beamtengehälter zu regionalisieren?

Auch öffentlich Bedienstete müssen den Gürtel enger schnallen, besonders in den Ländern, wo es finanziell brennt wie in Berlin. Aber der Vorschlag kommt von Leuten, die besonders privilegiert sind. Das 13. Monatsgehalt soll abgeschmolzen werden, aber die Politik hat Privilegien, an die keiner geht. Minister erwerben viel eher und auf einer breiteren Bemessungsgrundlage ihre Pensionsansprüche als Angestellte. Und eine Pension beziehen sie außerdem ab einem Alter von 55 Jahren. In der Politik herrscht Überversorgung. Dabei sollte man erwarten, dass sie bei den Sparvorschlägen mit gutem Beispiel vorangeht.

Könnte man hier überhaupt einen nennenswerten Betrag einsparen?

Möglich wären viele Millionen. Aber der Vorbildcharakter wäre schon das Wichtigste.

Die Politik hat Privilegien, aber auch der öffentliche Dienst, zum Beispiel die relative Arbeitsplatzsicherheit...

Diese Sicherheit gewinnt immer mehr an Gewicht und muss auch bei der Entlohnung einbezogen werden. Insgesamt meine ich, dass der öffentliche Dienst bei uns nicht überbezahlt ist. Und auch ein Beamter kostet die öffentliche Hand nicht mehr als ein Angestellter der gleichen Kategorie, selbst wenn man alles bis zu den Pensionsansprüchen durchrechnet. Aber das schließt einzelne Opfer nicht aus.

Das Gespräch führte Bernd Hops .

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