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Wirtschaft: Streit der Weisen

Persönliche Anfeindungen der Sachverständigen stellen das Gremium in Frage Von Rolf Peffekoven

Nach den gesetzlichen Bestimmungen besteht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aus fünf Mitgliedern, die über besondere wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und volkswirtschaftliche Erfahrungen verfügen müssen. Nicht vorgesehen ist dagegen, dass die Mitglieder auf Empfehlungen irgendwelcher Gruppen berufen werden. Das hat sich aber so eingebürgert: Jeweils ein Mitglied wird von den Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden vorgeschlagen. Die jetzige Bundesregierung hat zudem offensichtlich auch Parteizugehörigkeit, Geschlecht oder Alter berücksichtigt. All dies hat der Unabhängigkeit und dem Ansehen der Institution eher geschadet.

Dass fünf Wissenschaftler bei der Beurteilung der wirtschaftspolitisch gebotenen Maßnahmen unterschiedlicher Meinung sind, versteht sich von selbst. Deshalb gehört zur Arbeit des Rates die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Ziel, gemeinsame Positionen zu erarbeiten. Solche Diskussionen hat es immer gegeben, aber sie standen stets unter einer Regel: Es ging allein um die Sache, nie kam es zu persönlichen Verletzungen, und Kontroversen wurden im Rat und nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen. Das hat sich augenscheinlich geändert. Schwer nachvollziehbar ist, was den Vorsitzenden des Rates Wiegard und seinem Kollegen Franz bewogen hat, mit ihrer Kritik an einem Kollegen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Sachliche Diskussionen im Rat müssen natürlich ergebnisoffen sein. Deshalb spricht vieles dafür, dass sich die Mitglieder zu umstrittenen Problemen nicht dauernd in der Öffentlichkeit äußern. Damit legt man sich nämlich in einer Weise fest, die später gemeinsame Positionen kaum noch möglich machen. Hier sind dem Weisen Bofinger wohl Vorwürfe zu machen. Vielleicht hätte er sich daran erinnern sollen, dass zumindest früher für lange Zeit vor der Abgabe des Jahresgutachtens eine Art „Maulkorb“ für öffentliche Äußerungen galt. Geradezu unverständlich ist, dass offenbar während der Arbeit am Gutachten von Bofinger ein Buch geschrieben und dann kurz nach der Übergabe des Gutachtens veröffentlicht worden ist, in dem nahezu alle Positionen des Rates kritisiert werden. In früheren Zeiten, als noch alle Mitglieder des Rates voll in die Arbeit am Gutachten eingespannt waren, wäre es zeitlich schlicht unmöglich gewesen, eine solche Publikation zu erstellen. Wichtiger ist aber: Wenn wirklich ein solcher Dissens besteht, müsste Bofinger für sich entscheiden, wie er sich eine weitere Arbeit in diesem Gremium eigentlich vorstellt.

Die Mitglieder des Rates haben es sich selbst zuzuschreiben, dass jetzt wieder eine Diskussion aufkommt, ob der Rat nicht abgeschafft werden solle. Wir brauchen gerade in der momentan schwierigen Situation unserer Wirtschaft wissenschaftlichen Rat für die Politik. Dagegen spricht nicht, dass die Politik zusehends „beratungsresistent“ geworden ist. Der Sachverständigenrat hat aber laut Gesetz auch die Aufgabe, zur Erleichterung der Urteilsbildung in der Bevölkerung beizutragen. Dem wird er nicht mehr gerecht, wenn die Gutachten immer umfangreicher und deshalb von vielen nicht mehr gelesen werden. Mit solchen Problemen sollten sich die Weisen auseinandersetzen, statt persönliche Anfeindungen in der Öffentlichkeit auszutragen. Für Letzteres braucht man keinen Sachverständigenrat, und dafür darf auch kein Geld ausgegeben werden.

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Professor Rolf Peffekoven ist Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft der Universität Mainz und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen. Von 1991 bis 2001 war er Mitglied des Sachverständigenrates.

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