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Wirtschaft: Strom wird an der Börse billiger

Aber die Verbraucher haben nichts davon

Berlin - Der Strompreis an der Leipziger Energiebörse EEX ist in den vergangenen Tagen erheblich gesunken. Kostete eine Megawattstunde zu Beginn der Woche noch 54 Euro, waren es am Freitag weniger als 38 Euro. Als Grund nannten Beobachter starke Kursverluste beim Emissionshandel: Der Wert der CO2-Verschmutzungsrechte hat sich innerhalb weniger Tage fast halbiert. „Bei Aktien würde man von einem Crash sprechen“, sagte ein Händler. Ob allerdings auch die Verbraucher von den gesunkenen Strompreisen profitieren, ist fraglich.

Unternehmen, die das Klimagas Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, benötigen dafür entsprechende Zertifikate. Diese Verschmutzungsrechte werden an der Börse gehandelt, wobei der Preis bisher nur eine Richtung kannte: nach oben. Nun jedoch erfolgte eine deutliche Kehrtwende: Gegen Ende der Woche brach der Kurs auf unter 14 Euro je Tonne CO2 ein. Vor fünf Tagen hatte der Preis noch bei 30 Euro gelegen. Vor allem Kohle- und Gaskraftwerke benötigen die Zertifikate, weil sie große Mengen CO2 ausstoßen. Sinkt der Preis, fällt deshalb auch der Strompreis.

Händler erklären die Entwicklung mit neuesten Zahlen zum europaweiten CO2-Ausstoß. Demnach wurde im vergangenen Jahr deutlich weniger Kohlendioxid in die Luft geblasen als angenommen. Allein in Frankreich gebe es einen Überschuss an Zertifikaten für 18 Millionen Tonnen CO2. In Tschechien seien es 14 und in den Niederlanden sechs Millionen Tonnen. Diese überschüssigen Zertifikate würden nun auf den Markt geworfen – und drückten damit den Preis.

Eigentlich dürfen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Emissionsdaten erst am 15. Mai bekannt geben. „Es ist äußerst unprofessionell, dass die Zahlen schon durchgesickert sind“, klagt ein Händler. „Notenbanken halten ihre Nachrichten schließlich auch bis zur Veröffentlichung unter Verschluss.“ Für die kommenden Tage rechne er nun mit weiteren Kursverlusten – einfach deshalb, weil die Daten aus weiteren Ländern bekannt werden könnten. So sei zu erwarten, dass der CO2-Ausstoß auch in England und Deutschland geringer ausgefallen ist als gedacht.

Dies wiederum würde den Strompreis weiter drücken. „CO2 ist zur Zeit das dominierende Thema an den Märkten“, sagt ein Analyst. Auf eine dauerhafte Entspannung dürfe man aber nicht hoffen. Ein heißer Sommer beispielsweise triebe den Stromverbrauch von Klimaanlagen nach oben. Außerdem könnten französische Atomkraftwerke ausfallen. Dass die Konzerne die jüngsten Preisrückgänge an die Verbraucher weitergeben, ist deshalb unwahrscheinlich. „Kurzfristige Schwankungen an der Börse können wir bei unseren Tarif-Kalkulationen nicht berücksichtigen“, heißt es. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) forderte die Konzerne dagegen auf, die Preise für die Kunden zu senken.

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