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Wirtschaft: Subventionsabbau ohne Mut

Kieler Forscher: Bei den Staatshilfen könnten 129 Milliarden eingespart werden – doch die Politiker trauen sich nicht

Berlin (asi/brö). Zwei Tage nach dem Reformkompromiss im Vermittlungsausschuss kritisieren Politiker und Ökonomen den fehlenden Mut von Regierung und Opposition zum Subventionsabbau. „Die Union hat blockiert, wo es geht“, sagte die GrünenFinanzexpertin Christine Scheel dem Tagesspiegel. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und der frühere Finanzexperte der Grünen, Oswald Metzger, forderten die Regierung auf, bis 2007 insgesamt 129 Milliarden Euro Subventionen abzubauen und im Gegenzug die Steuern drastisch zu senken.

Scheel warf den Verhandlungsführern von CDU und CSU vor, sich im Detail um jeden Subventionsabbau herumgedrückt zu haben. Beispielhaft nannte sie deren Beharren darauf, sämtliche Kürzungen im Landwirtschaftsbereich herauszustreichen, die die Regierung vorgeschlagen hatte. „Die Landwirte sind die eigentlichen Gewinner des Kompromisses“, sagte Scheel.

Das Kieler Weltwirtschaftsinstitut legte am Dienstag eine detaillierte Liste von Subventionen (siehe Lexikon, Seite 18) vor, die die Regierung kurzfristig abbauen kann, ohne Gesetze ändern oder in bestehende Verträge eingreifen zu müssen. Nach der so genannten Rasenmähermethode, so die Ökonomen, könnten die Steuersubventionen und Finanzhilfen jährlich um 25 Prozent reduziert werden, um ein Entlastungsvolumen von 129 Milliarden Euro bis 2007 zu erreichen. Metzger forderte bei der Vorstellung des Subventionsabbauberichtes, die Streichliste zur Finanzierung einer großen Steuerreform zu nutzen. Mit der könnten die Steuersätze nach dem Modell des Ex-Verfassungsrichters Paul Kirchhof auf 25 Prozent sinken. Eine solche Reform könnte Anfang 2005 in Kraft treten.

Auch in der Union hieß es, das Vermittlungsergebnis konterkariere den Beschluss des CDU-Parteitages vom November, die Steuern nach dem Modell ihres Vize-Fraktionschefs Friedrich Merz zu senken. Als Indiz dafür wurde die Forderung der Union nach einer Protokollerklärung zur Einführung einer Kapitalertragssteuer gewertet, die die Regierung am Dienstag abgeben wollte. Eine solche Ertragssteuer sieht das Modell von Merz nicht vor.

„Ein Subventionsabbau würde Spielraum für eine echte Steuerreform geben“, sagte Ulrich Hombrecher, Chefvolkswirt der West LB in Düsseldorf, dem Tagesspiegel. Der Kompromiss im Vermittlungsausschuss sei keine echte Reform, nur eine Tarifsenkung. „Das Land braucht aber weiter gehende Schritte, um gegen seine Wachstumsschwäche anzukämpfen.“ Eine Reduzierung von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen würde die Staatsquote senken. Und wenn die Subventionskürzung mit einer Steuersenkung verbunden sei, würde auch die Konjunktur unter der staatlichen Ausgabenkürzung nicht leiden – „im Gegenteil, das würde ein dickes Wachstumsplus bedeuten“, sagt Hombrecher.

Die Wirtschaft wäre dazu bereit. „Regierung und Opposition sind zu kurz gesprungen“, sagte Walter Kaiser, Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). „Wir sind offen für eine Subventionskürzung von zehn bis 15 Prozent pro Jahr.“ 2004 müsse das Thema wieder auf die Tagesordnung, damit es eine stärkere Steuerentlastung gebe.

Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erwartet von der „halbherzigen“ Steuersenkung 2004 nur geringe Impulse. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt werde um 1,6 Prozent wachsen, wie es in der neuen Prognose für 2004 heißt. Die Zahl der Erwerbslosen werde mit 4,4 Millionen etwa so hoch sein wie in diesem Jahr und erst 2005 merklich zurückgehen.

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