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Wirtschaft: Suchtgefahr durch Roulette im Internet W

Wegen geringer Abgaben mehr Spiele im Netz

egen geringer Abgaben mehr Spiele im Netz Berlin - In der Diskussion um das Glücksspielmonopol in Deutschland hat Verdi eine stärkere Kontrolle der Spielbanken durch die Länder gefordert. „Casinos wenden sich immer mehr vom traditionellen Roulette oder Black Jack an Spieltischen ab und bieten zunehmend Glücksspiel in Automatenspielhallen und im Internet an“, sagte Bernhard Stracke, Verdi-Bundeskoordinator der Spielbanken, am Donnerstag in Berlin. Der damit verbundene Abbau an Personal habe für Beschäftigte und Kunden Folgen, denn an Spieltischen übernähmen die Casinomitarbeiter eine wesentliche Betreuungsfunktion. „In Automatenspielstätten und im Internet sind diese schwer bis überhaupt nicht gewährleistet“, sagte Stracke.

„Zentrales Problem ist die Abgabenregelung, die die Spielbanken zu den Umstrukturierungsmaßnahmen treibt“, sagte Rolf Schmid von der Spielbank Wiesbaden. Zwischen 80 und 90 Prozent ihrer Einspielgewinne müssen die Casinos an das Land abgeben. Bei Geschäften im Internet liegen die Abgaben aber nur zwischen 30 und 60 Prozent. „Das bietet Anreize, das Glücksspiel aus den Häusern ins Internet zu verlagern“, sagte Schmid.

Bundesweit hat sich die Anzahl der Spielbanken in den letzten 30 Jahren vervierfacht. Mittlerweile werben 80 Häuser in Deutschland um Kunden. Das hat auch Folgen für die Mitarbeiter, deren Bezahlung sich eigentlich nur aus Trinkgeldern ergibt. Weil diese sogenannten Tronks aber bescheidener sind, müssen die Spielbanken aus eigener Tasche für die Mitarbeiter mitzahlen.

In der Auseinandersetzung um das Glücksspielmonopol beraten die Ministerpräsidenten am 13. Dezember über einen neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen. Das staatliche Monopol ist in den vergangenen Monaten heftig kritisiert worden. Private Anbieter klagen gegen eine Benachteilung mit Hinweis auf die Dienstleistungsrichtlinie der EU. Zuletzt stärkte der Europäische Gerichtshof (EuGH) privaten Anbietern den Rücken und verpflichtete Deutschland dazu, bis zum ersten Januar 2008 den neuen Vertrag auf den Weg zu bringen. Niemand hindere Deutschland daran, Regeln für das Glücksspiel zu erlassen. „Es müssen nur Regeln sein, die für jeden gleichermaßen gelten, also für private und staatliche Anbieter“, betonte EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy Ende Oktober.

Weil Glücksspiel Ländersache ist, müssen mindestens 13 der 16 Länder dem neuen Entwurf zustimmen. Im neuen Staatsvertrag soll das Internetglücksspiel zwar verboten werden, für das Lottowesen und die Spielbanken sollen aber Ausnahmen geschaffen werden.

„Nach außen predigt Deutschland die Eindämmung der Spielsucht, doch erteilen die Länder immer öfter Konzessionen für das Glücksspiel im Internet oder in Automatenspielstätten“, klagte Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbands für Glücksspielsucht. Gerade für Betrunkene, Süchtige oder Minderjährige fehle die Betreuung. Glücksspiel werde anonymer und entwickle eine gefährliche Dynamik, welche die Spielsucht sogar noch beschleunige, kritisierte die Suchtexpertin. „Der Staat hebelt so sein wesentliches Argument für seine Monopolstellung beim Glücksspiel aus, ich bin darüber sehr unglücklich.“

Erst vor kurzem eröffnete die Spielbank Hessen unter Einwilligung des Landes ein Internetcasino. Auch in Niedersachsen will Casino Austria Spiele im Internet ab Ende Dezember anbieten. „Das traditionelle Glücksspiel in gepflegtem Ambiente wird weniger“, berichtet Uwe Harberts, Groupier im Berliner Casino am Alexanderplatz. So habe sein Haus jüngst das klassische französische Roulette abgeschafft und acht Mitarbeiter entlassen. Sollte sich der Trend fortsetzen, sind nach Einschätzung von Verdi bis zu zwanzig Prozent der bundesweit 5000 Arbeitsplätze in Spielbanken bedroht.

Ina Brzoska

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