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Teure Rohstoffe. Extreme Wetterlagen, politische Instabilität – etwa im größten Kakao- Exportland Elfenbeinküste – und die gestiegene Nachfrage treiben die Preise. Foto: AFP

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Wirtschaft: Süßes macht sauer

Kakao, Zucker und Weizen werden immer teurer. Konzerne und Konditoren geben die Preise an ihre Kunden weiter

Berlin - Tim Coughlin betreibt eine Großbäckerei in Alt-Mariendorf in Berlin. „2007 ging die Hölle los“, sagt er. Damals stiegen die Preise für Agrarrohstoffe massiv an. „Wir hatten danach eine kurze Zeit Ruhe“, sagt der Kanadier. Wegen der Finanzkrise sanken weltweit Nachfrage und Preise. Jetzt aber ist es wieder soweit: Weizen, Butter, Kakao oder Zucker haben sich seit dem vergangenen Jahr immer weiter verteuert.

Coughlin produziert Süßwaren wie Brownies und Cookies und verkauft sie unter der Marke „Tim’s“ an rund 400 Verkaufsstellen in der Hauptstadt. Er verarbeitet viel Kakao, Butter und Zucker. Und er kämpft mit den gestiegenen Preisen. „Bio-Kakao hat sich auf Jahressicht um 107 Prozent verteuert, pflanzliche Öle um 30 Prozent“, klagt er. „Wir werden unserer Preise erhöhen müssen.“

Seit Monaten dreht sich die Preisspirale an den Rohstoffmärkten wieder. Extreme Wetterlagen, politische Instabilität – zum Beispiel im größten Kakao-Exportland Elfenbeinküste – aber auch spekulative Geschäfte und die gestiegene Nachfrage im Aufschwung treiben die Preise auf immer neue Höchststände. Gerade warnte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) vor einer Nahrungsmittelkrise. Zwar sind die Rekordpreise aus dem Jahr 2008, die zu Unruhen und Konflikten besonders in den ärmsten Ländern der Welt führten, noch nicht erreicht. Doch der Druck wächst.

In Deutschland ist im Januar die Inflationsrate auf 2,0 Prozent geklettert. Das war der höchste Stand seit Oktober 2008. Insgesamt erhöhten sich die Preise für Nahrungsmittel um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Leichtes Heizöl, Strom, Kraftstoffe sowie Obst und Gemüse nennt das Statistische Bundesamt als Hauptpreistreiber. „Die Preiserhöhungen sind in vielen Bereichen so nachhaltig ausgefallen, dass auch der Handel nicht mehr umhinkommt, sie an die Verbraucher weiterzugeben“, sagt Matthias Queck vom Handelsinformationsdienst Planet Retail dem Tagesspiegel.

Auch Thierry Brahami Geschäftsführer der Wilhelm Reuss GmbH, die in Berlin-Neukölln mit 280 Mitarbeitern vor allem Nuss-Nougat-Creme produziert, leidet unter den gestiegenen Preisen. Seine Firma produziert die sogenannten Handelsmarken für große Ketten wie Aldi. „Nutella ist die Marke, wir machen den Rest“, sagt Brahami – in 60 Länder wird der Brotaufstrich geliefert, 100 000 Tonnen im Jahr, davon die Hälfte ins Ausland.

„Der Preis für Kakaopulver ist auf dem höchsten Niveau seit 70 Jahren“, meint er. Milchpulver habe sich in den vergangenen vier Wochen im zweistelligen Prozentbereich verteuert. Nur der Preis für Nüsse sei stabil. „Alles in allem sollte der Verbraucher bereit sein, 20 Prozent mehr zu zahlen“, sagt Brahami. Bei den großen Discountern kostet ein Glas Nougat-Creme 99 Cent – es könnten 1,20 Euro werden.

Dass Hersteller Preiserhöhungen von bis zu 20 Prozent durchsetzen können, bezweifelt der Handelsexperte Boris Planer von Planet Retail. „Die Energie- und die meisten Rohstoffpreise liegen derzeit noch deutlich unter der Spitze von 2008“, sagt er. Auch in den Krisenjahren seien die meisten Produkte nicht billiger geworden – trotz gesunkener Rohstoffpreise. „Die großen Posten wie Arbeitskosten und Mieten sind in Deutschland kaum gestiegen“, sagt Planer, und die Margen vieler Hersteller seien noch immer groß.

Kleine und mittelständische Rohstoffverarbeiter wie Brownie-Produzent Coughlin oder Schoko-Unternehmer Brahami wiederum wissen, dass der Preisanstieg für sie deutlich schwieriger aufzufangen ist, als für Riesen wie Nestlé oder Kraft, die mitunter sogar Rohstoffproduzenten Preise diktieren können. Den Kunden bleibt nur der Trost, dass die Lebensmittelpreise hierzulande im internationalen Vergleich noch immer niedrig sind. „Derzeit geben die Deutschen nur elf Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, künftig werden es vielleicht zwölf oder dreizehn Prozent sein“, glaubt Experte Planer.Mitarbeit: Alfons Frese

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