zum Hauptinhalt

Tabakwerbe-Richtlinie: EU-Gerichtshof weist deutsche Klage ab

Deutschland ist mit seiner Klage gegen die europäische Tabakwerbe-Richtlinie gescheitert. Der Europäische Gerichtshof sah keine falsche Rechtsgrundlage bei dem Gesetz.

Luxemburg - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg wies die Klage der Bundesregierung gegen die europäische Tabakwerberichtlinie ab. Die Europäische Union habe ihre Kompetenzen daher nicht überschritten. Die umstrittene Richtlinie verbietet Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Internet sowie das Sponsoring von Veranstaltungen mit "grenzüberschreitender Wirkung". Sollte der Bundesrat einem entsprechenden Gesetz zustimmen, könnte Tabakwerbung schon ab kommendem Jahr in Deutschland verboten sein. Die Zigarettenbranche und die deutsche Werbeindustrie kritisierten das Urteil scharf. (Az: C-380/03)

Die Werbeverbote seien notwendig, um drohende Wettbewerbsverzerrungen im grenzüberschreitenden Handel mit Zeitungen und anderen Medien zu verhindern, urteilte der EuGH. Dagegen seien lokale Vereinsblätter, Programmhefte, Plakate und Werbezettel von dem Verbot nicht von den Verbot betroffen. Ein Werbeverbot im Fernsehen ist bereits gesondert geregelt. Die neue Richtlinie hätte bereits bis Juli 2005 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Der Bundestag hat am 9. November entsprechende Werbeverbote verabschiedet. Das Luxemburger Urteil dürfte nun die für Freitag angesetzten Beratungen im Bundesrat beeinflussen. Bislang hatten sich dort die Länder gegen neue Tabak-Werbeverbote gesperrt.

Werbeverbote nicht unterlaufen

Deutschland hatte in der Klage argumentiert, die Verbote seien überzogen und unnötig. Die in Deutschland betroffenen Medien würden zu über 99 Prozent im Inland gelesen. Durch den nur geringen Verkauf in anderen Ländern könnten dort womöglich bestehende Werbeverbote nicht ernsthaft unterlaufen werden. Die deutschen Medien seien aber auf ihre Werbeeinnahmen dringend angewiesen. Tatsächlich gehe es der Kommission bei dem Werbeverbot mehr um die Gesundheitspolitik, für die sie aber nicht zuständig sei.

Wie der EuGH entschied, stehen mögliche Auswirkungen der Werbeverbote auf den Gesundheitsschutz der Richtlinie aber nicht entgegen. Die einheitlichen Werberegeln seien notwendig gewesen, um den grenzüberschreitenden Handel mit Druckerzeugnissen und grenzüberschreitende Rundfunkübertragungen weiterhin zu gewährleisten. Auch habe eine "beträchtliche Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen" bestanden, wenn Medien sich in einem Land durch Tabakwerbung finanzieren dürften, im Nachbarland aber nicht. Die Werbeverbote seien auch nicht unverhältnismäßig und die Freiheit der journalistischen Meinungsäußerung bleibe unberührt, betonten die Luxemburger Richter.

Tabakindustrie gibt jährlich 300 Millionen für Werbung aus

Die damit abgewiesene deutsche Klage war auch von Verlegern, Privatfunk, Industrie und Werbewirtschaft unterstützt worden. Nach Angaben des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) in Berlin gibt die Tabakindustrie in Deutschland jährlich 300 Millionen Euro für Werbung aus, davon 58 Millionen in der Presse, zehn Millionen im Internet sowie 40 Millionen Sponsoring bei der Formel 1. In Deutschland rauchen nach Auskunft der Deutschen Krebshilfe in Bonn 16 bis 20 Millionen Menschen. An den Folgen sterben danach jährlich 140.000 Raucher und über 3000 Passivraucher.

Der ZAW kritisierte das Urteil als "politische Entscheidung", die sich "am Zeitgeist und nicht am Vertragsrecht der Europäischen Union" orientiere. Es gebe durch das Urteil keine "messbaren Vorteile für Bürger", erklärte ZAW-Hauptgeschäftsführer Georg Wronka. Das EuGH-Urteil fördere den Machtwillen der EU-Kommission. Der Verband sprach von "Werbezensur". Reemtsma-Chef Richard Gretler sprach von einem "weiteren Schritt in der Regulierungsspirale". Das Urteil habe aber "keine unmittelbare Wirkung". Erfahrungen zeigten, dass Werbeverbote sich nicht auf den Tabakkonsum auswirken. (tso/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false