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Tarifabschluss: Air Berlin lässt Gewerkschaften zu

Erstmals schließt das Unternehmen Tarifverträge ab. Es kann sich den Usancen der Branche nicht länger entziehen. Erst legte der Kurs zu, dann ließ die Einigung ihn wieder absacken.

Berlin - Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin hat ihre langjährige Abwehrhaltung gegen Gewerkschaften aufgegeben. Das Unternehmen schloss erstmals Tarifverträge: für seine derzeit 805 Piloten mit der Vereinigung Cockpit und für die mehr als 1400 Flugbegleiter mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Zudem soll über die Bildung eines Betriebsrates verhandelt werden, teilte Air Berlin am Dienstag mit. Die Gesellschaft und Cockpit begründeten dies mit „fortschreitenden Konzentrationsprozesse in der deutschen Luftfahrtindustrie“.

Dabei ist Air Berlin die treibende Kraft. Im vorigen Jahr kauften die Berliner die dba, jetzt soll LTU übernommen werden – allerdings steht hier noch die Zustimmung des Kartellamts aus. Bei beiden Gesellschaften ist Cockpit vertreten und hat in dieser Woche zu unbefristeten Warnstreiks aufgerufen. Direkte Auswirkung auf die Beschäftigten von dba und LTU haben die neuen Tarifverträge zwar nicht. Aber Air Berlin hofft nun auf ein schnelles Ende der Warnstreiks. „Verschlechtern wird der Abschluss das Klima sicher nicht“, sagte Air-Berlin- Sprecher Peter Hauptvogel.

Der Vorstandsvorsitzende Joachim Hunold zeigte sich bisher als erbitterter Gewerkschaftsgegner. So wählte er die Rechtsform der britischen Plc, um nicht der deutschen Mitbestimmung zu unterliegen. Dass die dba als Unternehmen nicht in Air Berlin aufgeht, begründete er vor einem Jahr ähnlich: „Die dba ist tarifgebunden, und ich wollte mir nicht durch die Hintertür die Gewerkschaft ins Haus holen.“ Solche Töne sind nun nicht mehr zu hören. „Mit dem Abschluss der Tarifverträge für das fliegende Personal von Air Berlin haben wir eine zukunftsorientierte Basis für die weiterhin positive Entwicklung des Unternehmens geschaffen“, erklärte Hunold am Dienstag. Seit einigen Wochen hat er persönlich mit den Gewerkschaften verhandelt, vor allem mit Cockpit-Vorstand Michael Tarp. Der Tarifvertrag gilt rückwirkend zum 1. August und hat die „derzeitigen tatsächlichen Arbeitsbedingungen“ zur Grundlage. Er läuft bis Ende kommenden Jahres, der ebenfalls vereinbarte Manteltarifvertrag ein Jahr länger. Beide Seiten erklärten „ihre Bereitschaft, eine dem Wohl des Unternehmens und der Mitarbeiter dienende Partnerschaft aufzubauen“.

Auf die Nachricht büßte der Aktienkurs der Fluggesellschaft den größten Teil seiner hohen Gewinne von zeitweise sechs Prozent ein und notierte bei 13,50 Euro. Gute Passagierzahlen im Juli und ein generell positiver Trend für die Papiere von Fluggesellschaften hatten der Aktie einen überraschend starken Schub gegeben.

Air Berlin konnte allein im Ferienmonat Juli die Zahl der Passagiere im Vergleich zum Vorjahresmonat um 15,5 Prozent auf mehr als zwei Millionen steigern. Die Auslastung der Flugzeuge stieg damit um knapp zwei Punkte auf 83,2 Prozent. Besonders deutlich stiegen die Passagierzahlen bei Abflügen aus Stuttgart mit 52 Prozent, aber auch in Berlin- Tegel lag das Plus bei 24 Prozent. Von Januar bis Juli transportierte Air Berlin knapp 12,46 Millionen Passagiere und damit 12,4 Prozent mehr als in den ersten sieben Monaten des Vorjahres. Zugleich konnte Air Berlin wie andere Airlines auch den negativen Trend bei den Preisen zumindest abbremsen, wie Hunold erklärte. Die Erträge gingen allerdings auch im Juli um 3,4 Prozent zurück. Klaus Breil, Fondsmanager bei Cominvest bewertete die Zahlen dennoch als gut und sprach von einer positiven Überraschung.

Für die sorgte am Dienstag allerdings auch Konkurrent Easyjet. Der Gewinn vor Steuern solle im laufenden Geschätsjahr, das Ende September endet, um 40 bis 50 Prozent steigen, teilten die Briten mit. Im abgelaufenen Quartal stiegt der Umsatz um knapp sechs Prozent auf umgerechnet rund 716 Millionen Euro. In den Sommermonaten will Easyjet die Kosten nun deutlicher senken als bislang angepeilt. Auch das neue Quartal startete mit kräftigem Wachstum: Im Juli beförderte Easyjet 3,72 Millionen Fluggäste – 17,5 Prozent mehr als vor einem Jahr und fast 90 Prozent mehr als Air Berlin. Allerdings verschlechterte sich bei Easyjet anders als bei den Berlinern die Auslastung: um knapp zwei Punkte auf 88,6 Prozent. Der Markt reagierte dennoch begeistert, der Kurs kletterte um rund sieben Prozent. Mitarbeit: Rolf Obertreis

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