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Gutes Wetter, gute Stimmung, gute Ideen: Beim Pitch-nick, dem Speed-Dating mit Konzernvertretern können Partnerschaften entstehen.

© promo

Tech Open Air Berlin: Gründerszene trifft sich im Grünen

Happening in der Start-up-Szene: Beim „Tech Open Air“ rund um eine alte Teppichfabrik in Treptow tauschen Gründer Ideen aus und hoffen auf Unterstützung durch Investoren.

Einer sagt, das Smartphone stirbt, aber im Garten twittert die Masse. Ein junger Kerl lümmelt sich auf einem Liegestuhl, schlürft am Energydrink und stutzt seine Nachricht auf 140 Zeichen, bevor er sie ins Netz schickt. Vernetzt sein, das ist auf dem Gelände der Alten Teppichfabrik in Berlin-Treptow unausgesprochene Pflicht für alle. Im Gebäude spricht gerade Tobias Eichenwald, Gründer des Hardware-Unternehmens Senic, über die Zeit, die nach dem Smartphone kommen könnte: Virtual-Reality-Brillen und tragbare Mikrocontroller.

Die Konferenz, die keine sein will

„Das Tech Open Air ist Europas coolstes Festival“, titelte der niederländische Branchendienst The Next Web. Doch wer DJs und elektronische Musik erwartet, hat den gegenüberliegenden Szene-Club „Wilde Renate“ knapp verfehlt. Beim TOA, wie es in den sozialen Netzwerken heißt, schallt zwar auch Musik von improvisierten Bühnen, im Kern dreht sich aber alles um Bits und Bytes, neue Trends und Ideen für die nächsten Jahrzehnte. Unter freiem Himmel versammeln sich hunderte Gründer und Kreative, knüpfen Kontakte, präsentieren ihre Ideen und hoffen auf Unterstützung durch Investoren.

Es ist die vierte Ausgabe des Festivals, das Organisator Nikolas Woischnik 2012 noch per Crowdfunding finanzieren musste. Heute ist daraus eine Konferenz für Start-ups geworden, die eigentlich keine sein will. „Wir bringen Technologie raus aus der Dunkelkammer“, heißt es in der Selbstbeschreibung. Während bei ähnlichen Veranstaltungen in dunklen Räumen Präsentationen über die Leinwand flimmern, geht es am Spreeufer deutlich bunter zu. Mitten im Grünen pflegt die Gründerszene ihre Rituale: netzwerken, tüfteln und feiern. 120 Redner geben im Verlauf der dreitägigen Veranstaltung einen Überblick über neue Technologien, Entwicklungen in verschiedensten Branchen und grundsätzlich über die Voraussetzungen einer erfolgreichen Gründung. Darunter sind Chris Barton von der Musiksuchmaschine Shazam und Christian Hardenberg vom Berliner Gründerkonzern Rocket Internet.

Tschechisches Bier und Burritos

In der Mittagspause nimmt die kreative Szene Platz auf weißen Holzstühlen. Die Farbe blättert ab, es gibt Burritos, tschechisches Bier und Himbeer-Pudding. Und wer die Sonne genießen will, muss nicht unbedingt auf die Diskussionen und Keynotes im Treptower Industriebau verzichten. Denn im Hof stehen Leinwände, Sofas und Liegestühle bereit. Das Gespräch zwischen Eric Wahlforss und Daniel Haver rund um digitale Trends in der Musikbranche wird hier zum echten Festival-Erlebnis.

Der Mitgründer der Musikplattform SoundCloud und der Geschäftsführer der Musiksoftware-Firma Native Instruments sind sich sicher: Junge Talente wollen nach Berlin und es sei hier inzwischen viel einfacher, sie zu finden als beispielsweise in New York. „Berlin ist ein Magnet für Kreative“, sagte Haver. Wahlforss glaubt, dass mobiles Musikmachen die Zukunft der Branche sein wird. Den Dienst SoundCloud hat er 2007 gegründet, um im Internet einen Ort zu schaffen, an dem Künstler ihre Musik austauschen, Fans gewinnen und Geld verdienen können.

Eine Idee, sechs Minuten Zeit

Kluge Köpfe müssen aber erstmal andere von ihrem Talent überzeugen – die Gelegenheit dazu bietet sich beim Pitch-nick im Garten der Fabrik. Dabei haben Start-ups und Kreative sechs Minuten Zeit, ihre Ideen längst etablierten Unternehmen wie Coca-Cola, Bosch oder IBM zu präsentieren. Wer beim etwas anderen Speed-Dating überzeugt, der kann auf die Unterstützung der Konzerne hoffen.

Wie man überhaupt erfolgreich wird, weiß Roland Grenke, einer der Gründer von Mobile Motion. Das Berliner Start-up hat Dubsmash entwickelt, eine App, um Videos zum Beispiel mit Stimmen von berühmten Persönlichkeiten zu kombinieren. „Wenn dir die erste Version deines Produkts nicht peinlich ist, dann hast du sie zu spät auf den Markt gebracht“, sagte Grenke, dessen App in den ersten sechs Monaten mehr als 15 Millionen Mal heruntergeladen wurde. „Junge Start-ups sollten sich auf die Nutzer und ihr Produkt konzentrieren, statt vom ersten Tag an darüber nachzudenken, wie sich Geld machen lässt“, rät er dem potenziellen Nachwuchs.

Indes versucht Rocket Internet, sich den wachsenden Märkten in Asien und Afrika zu nähern. „Nehmen Sie Vietnam: Da fallen regelmäßig Pakete für den Kunden vom Roller und gehen dann verloren“, sagt Christian Hardenberg von dem Online-Unternehmen, das auch Anteile an Zalando hält. Konsequenz: Aufbau eigener Lieferdienste. Den erfolgreichen Gründern wird Berlin offenbar zu eng. Die Welt ruft.

Alexander Triesch

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