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Wirtschaft: Telekom-Spitze macht Maut zur Chefsache

Daimler-Chrysler und Telekom wollen Imageschaden abwenden / Der Starttermin wackelt schon wieder

Berlin (fo/huh/HB). Der Termin für den Start der LkwMaut ist offenbar nicht zu halten. Führende Verkehrsexperten sagen, dass der 2. November unrealistisch ist. Die Union rechnet inzwischen mit einer weiteren Verzögerung um ein halbes Jahr. Die Toll-Collect-Gesellschafter Daimler-Chrysler und Deutsche Telekom setzten allerdings alles in Bewegung, damit es zu keiner erneuten Verschiebung kommt. Sie befürchten große Imageschäden für ihre Konzerne.

Daimler-Chrysler und die Deutsche Telekom, die beiden Großaktionäre bei Toll Collect, haben eine Task Force gebildet und Experten aus ihren Häusern an Toll Collect abgeordnet. Sie sollen retten, was noch zu retten ist. Offiziell will sich in den Konzernzentralen niemand zu dem verpatzten Mautstart äußern. Unter den Hand wird aber zugegeben, dass das Thema sehr ernst genommen wird. Bei der Deutschen Telekom kümmert sich Vorstandschef Kai-Uwe Ricke jetzt selbst darum. Auf Arbeitsebene gibt es große Spannungen zwischen den Partnern. Dass Toll Collect zu 90 Prozent mit Mitarbeitern von Daimler-Chrysler besetzt ist, wird bei der Telekom als eine der Ursachen für viele technische Probleme beim Start gesehen.

Die Union im Bundestag rechnet mit einer weiteren Verzögerung des Starts der Lkw-Maut bis weit in das nächste Jahr. „Aus Kreisen des Bundesverkehrsministeriums wurde mir versichert, dass bei der jetzigen Problemlage mit einer Mautverschiebung von bis zu einem halben Jahr zu rechnen ist“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Dirk Fischer, dem Handelsblatt.

Sechs Monate Verzögerung ?

Bisher ist vorgesehen, dass die streckenbezogene Autobahngebühr für Lastwagen ab 2. November erhoben wird. Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) hatte in den vergangenen Tagen aber bereits deutliche Zweifel an diesem Termin geäußert. In den nächsten Tagen werde geklärt, ob das Datum zu halten sei, sagte er. Laut Fischer ist die Entscheidung im Ministerium schon gefallen. Nach seinen Informationen sei eine Verschiebung der Maut bis Januar bereits beschlossene Sache, selbst wenn es dem Maut-Betreiber Toll Collect in den nächsten Tagen noch gelingen sollte, die größten Probleme zu beseitigen, sagte der CDU-Verkehrsexperte.

Daran glaubt Gerd Aberle, Wirtschaftswissenschaftler und Transportexperte an der Universität Gießen, offenbar nicht mehr. Er sieht einen problemlosen Lauf des Systems ohne allzu große Fehlerquoten allenfalls im Frühjahr des nächsten Jahres. Aberle erinnert daran, dass die Maut ursprünglich sogar schon am 1. Januar dieses Jahres erhoben werden sollte. Wegen juristischer Auseinandersetzungen um die Ausschreibung war der Termin aber auf Ende August verschoben worden.

Die Verträge mit dem Industriekonsortium Toll Collect wurden im September 2002, zwei Tage vor der Bundestagswahl unterzeichnet. Das System sollte also in elf Monaten betriebsfähig sein. Laut Aberle hat die Industrie die technischen Probleme völlig unterschätzt. Und das Verkehrsministerium sei zu gutgläubig an die Vertragsgestaltung gegangen. Ergebnis: „Die Haftungsfrage ist offensichtlich äußerst günstig für die Industrie ausgestaltet“, sagte Aberle dem Tagesspiegel. Für den Wissenschaftler haben sich die beteiligten Industriekonzerne auch „international blamiert“. Der geplante Export des Systems könnte „auf längere Zeit mit Riesenproblemen belastet sein“.

Die Bundesregierung erwartet jährlich knapp 2,1 Milliarden Nettoeinnahmen durch die Maut – wenn das System läuft und im Schnitt 12,4 Cent je Lkw-Kilometer gezahlt werden. Abgezogen werden nicht nur die 570 Millionen Euro Kostenersatz für die Betreiber Toll Collect, sondern auch 50 Millionen für das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in Köln. Das hat immerhin 975 neue Stellen bewilligt bekommen – und inzwischen auch weitgehend besetzt. Darunter sind gut 500 Kontrolleure, die nach Angaben eines BAG-Sprechers zurzeit allerdings anderweitig beschäftigt werden müssen.

Der Verkehrsexperte der Grünen, Albert Schmidt, forderte, Toll Collect für die Einnahmeausfälle haften zu lassen. Es gehe nicht nur um eine Vertragsstrafe, sondern auch um „Schadenersatz im Sinne von Haftung“. Es könne nicht sein, dass der Steuerzahler für den Schaden aufkomme. Jeder Monat, den die Lkw-Maut nicht erhoben wird, kostet den Bund rund 160 Millionen Euro.

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