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Wirtschaft: Tempo wird schwedisch

Procter & Gamble verkauft die Papiertaschentücher an den Zewa-Hersteller

Berlin - Tempo-Taschentücher werden künftig schwedisch. Der bisherige Besitzer Procter&Gamble (Blend-a-med, Pringles, Pampers) verkaufte die deutsche Traditionsmarke an das schwedische Konsumgüterunternehmen Svenska Cellulosa (SCA), das unter anderem das Küchentuch Zewa herstellt. Dafür zahlt SCA den Amerikanern nach eigenen Angaben vom Montag 512 Millionen Euro. Das Kartellamt muss noch zustimmen. Die SCA-Aktien stiegen gestern an der Stockholmer Börse zunächst um knapp zwei Prozent.

Procter&Gamble setzt mit dem Tempo-Verkauf den Umbau zu einem Schönheitspflege-Konzern konsequent fort, den der größte Konsumgüterkonzern der Welt mit gezielten Zukäufen vor einigen Jahren eingeleitet hatte. So hatten die Amerikaner unter anderem die Haarpflegemarken Clairol und Wella sowie im September 2005 für rund 57 Milliarden Euro den Rasierklingenkonzern Gillette übernommen. Im Gegenzug trennte sich P&G von schwächeren Marken wie dem Kölner Duftwasser „4711“.

Grund für den Konzernumbau sind die wesentlich höheren Wachstumsraten, die sich mit Schönheitspflegeartikeln erzielen lassen. Das Geschäft mit Waschmitteln, Windeln und Papiertaschentüchern ist dagegen wesentlich schwieriger – was auch daran liegt, dass die Konkurrenz der Handelsmarken in Europa in diesen Geschäftsfeldern besonders hoch ist. Beim Toilettenpapier zum Beispiel liegt der Anteil der preisgünstigen Handelsmarken in Europa bei 75 Prozent. Für eine kostengünstige Massenproduktion reicht den Markenartiklern der verbleibende Rest aber nicht aus. Sie können ihre eigenen Wachstumsziele nicht erreichen – und stoßen die Sparte lieber ab.

Nach eigenen Angaben peilt P&G ein Umsatzwachstum von fünf bis sieben Prozent bei zweistelligen Margen an. „Dafür müssen wir in jedem Jahr um zwei Milliarden Euro beim Umsatz wachsen“, sagte der Sprecher. Für Underperformer ist deshalb kein Platz, nicht einmal, wenn es sich um eine starke Marke wie Tempo handelt.

P&G hat sich nun nicht nur von der Marke Tempo, sondern von der gesamten Sparte für Papiertücher in Europa getrennt. Dazu gehöre auch eine exklusive Europa-Lizenz für die Küchenpapier- Marke „Bounty“, teilte SCA mit. Die Schweden übernehmen mit den fünf europäischen Werken auch zwei deutsche Standorte im rheinischen Neuss (550 Beschäftigte) sowie im hessischen Witzenhausen, wo gut 200 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die Mitarbeiter sollen nach Angaben des P&G-Sprechers übernommen werden. In den USA wird Procter&Gamble die Marken Bounty und die Toilettenpapiermarke „Chairmin“ dagegen behalten, weil die Handelsmarken in dem US-Markt eine sehr viel geringere Rolle spielen.

„Diese Übernahme wird uns entscheidend dabei voranbringen, unsere Kundenangebote zu verbessern“, erklärte SCA-Chef Jan Astrom am Montag. Über das Unternehmen, das er führt, ist wenig bekannt. Der Konsumgüterkonzern setzte 2005 mit 31 000 Mitarbeiter in 50 Ländern knapp 60 Millionen Euro um.

Zum Vergleich: Procter&Gamble verzeichnete allein im vergangenen Quartal einen Umsatz von 2,7 Milliarden Euro. Dabei profitierte das Unternehmen bereit vom gutem Geschäft mit Rasierern und damit auch vom teuren Gillette- Kauf.

Im gesamten Geschäftsjahr steigerten die Pampers-Produzenten den Umsatz um 20 Prozent auf 68,2 Milliarden Dollar (49,3 Milliarden Euro). Der Gewinn kletterte im gleichen Zeitraum sogar um 25 Prozent auf 8,7 Milliarden Dollar (knapp sieben Milliarden Euro).

Die Tempo-Taschentücher, die bald aus Schweden kommen, haben eine wechselvolle Geschichte hinter sich – und sie beginnt in Berlin. Im Januar 1929 meldeten die Vereinigten Papierwerke aus Nürnberg das Warenzeichen Tempo beim damaligen Reichspatentamt der Stadt an. Noch im gleichen Jahr erschien die erste Tempo-Werbung in einer Berliner Illustrierten. Die Idee eines Papiertaschentuchs für den Einmalgebrauch setzte sich in den folgenden Jahren schnell durch. Ende der 1930er Jahre wurden bereits 400 Millionen Tempo-Taschentücher produziert. Anfang der 1960er Jahre überschritt die Fertigung die Marke von vier Milliarden Stück. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion stark zurückgefahren, da Tempo nicht zu den lebenswichtigen Gütern gezählt wurde. Erst 1947 konnte die Produktion wieder aufgenommen werden. 1994 übernahm schließlich P&G die Marke, die 2004 schon 20 Milliarden Stück davon produzierte.

Maren Peters

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