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© dpa

Textilkonzerne: Schnitt mit Esprit

Esprit-Chef Krogner hat aus einer heruntergekommenen Klamottenfirma aus Ratingen einen der profitabelsten Textilkonzerne der Welt gemacht. Jetzt wünscht er sich mehr Luxus.

Ratingen - Ein Blick auf das Ortsschild verrät viel über den viertgrößten Textilhändler der Welt, der hier seinen Sitz hat: Ratingen. Man muss dazu sagen, dass Ratingen zum Kreis Mettmann gehört, der wiederum dem Regierungsbezirk Düsseldorf unterstellt ist. Nach dieser Einführung ist es einfacher zu verstehen, was Esprit-Chef Heinz Krogner über das sagt, was er täglich millionenfach verkauft. „Mode?“, sagt der 66-Jährige, „diesen Begriff gibt es bei Esprit nicht.“ Zum Beweis deutet der lebhafte, kleine Mann an sich herunter. Schwarzer Blazer, schwarzes Polohemd, Jeans und Turnschuhe. Eher lässig-cool als modisch, soll das heißen, für einen Mann seines Alters sowieso. Das passt zum Firmengebäude aus Glas und Stahl, der Herrschaftszentrale von König Krogner. Ob das, was er anhat, im eigenen Haus geschneidert worden ist, verrät der Mann, der in den vergangenen elf Jahren aus einer heruntergekommenen Klamottenfirma einen der weltweit profitabelsten Textilkonzerne mit Börsennotierung in Hongkong gemacht hat, nicht.

Esprit ist in Europa heute die Nummer drei nach Zara und H & M. Seit Jahren meldet das Unternehmen zweistelliges Umsatzwachstum. Zuletzt nahm Esprit 2,8 Milliarden Euro ein, knapp die Hälfte davon in Deutschland. Mit der von dem Hippie-Pärchen Susie und Doug Tomkins 1968 in den USA gegründeten Firma hat das Unternehmen heute nichts mehr zu tun. Die Gründer haben sich scheiden lassen und sind längst ausgestiegen. Doug Tomkins ist mittlerweile hauptberuflicher Umweltschützer. Seine Ex-Frau Susie hat Esprit-Chef Krogner in seiner Anfangszeit noch am Führungstisch erlebt. Zu emotional sei sie gewesen, sagt der energiegeladene Mann. Zu wenig Konzept, darf man sich wohl dazudenken.

Das Konzept hat der frühere Unternehmensberater Krogner mitgebracht. „Wir haben eine klare Zielgruppe“, sagt er. „Die Frau ab 28, die kein Fashion Victim ist, die aber einen bestimmten Lifestyle hat und die beste Qualität für ihr Geld will.“ Man muss die Sprache übersetzen. Sie ist so modisch, dass sie nicht so recht zum Konzept passen will. Die Ideal-Kundin ist nicht mehr ganz jung und berufstätig, hat also wenig Zeit, jedem Trend hinterherzulaufen, und genug Geld, um etwas mehr für solide Qualität und klassische Schnitte auszugeben, denn zu den Billigmarken zählt Esprit nicht. Kein Paris-Hilton-Typ, sondern eher die Anne-Will-Artige.

Zu behaupten, Esprit habe immer genau gewusst, was sich gut verkauft und was nicht, wäre allerdings nicht ganz richtig. Auch Esprit hat im vergangenen Herbst in der wichtigsten Sparte „women casual“ Jeans mit Löchern statt klassischer Mode verkauft, die dem Anne-Will-Typ gar nicht gefiel. Weil die Paris Hiltons schon bei H&M waren, blieb Esprit auf seiner Mode sitzen. Ähnliche Erfahrungen hatte es vorher immer mal wieder gegeben. Was war da los? Krogner schnaubt verächtlich. „Das ist das Problem, wenn neue Manager ins Haus kommen, die trendy sein wollen“, sagt er. „So was geht immer schief.“ Er hat es wieder zurechtgerückt. „Wir konzentrieren uns wieder auf Qualität“, sagt Krogner.

Die neue Kollektion, die in drei Monaten weltweit verkauft wird, können die Einkäufer schon in der Eingangshalle des gläsernen Konzernsitzes in Ratingen in Augenschein nehmen. Was auffällt, ist ihre Unauffälligkeit, auch bei den Farben. Mehr als Schwarz, Weiß, Grau, Blau und Beige gibt es nicht. „Die ganz simple Weisheit ist, dass man nur mit fünf Farben Geld verdienen kann“, sagt Krogner. „Die meisten Frauen wollen nun mal keine orangefarbene Hose.“ Auch sonst versucht das Unternehmen, den größten globalen Nenner zu finden. In Deutschland, Frankreich und Indien wird mehr oder weniger die gleiche Ware angeboten. „Wir können nicht in jedem Land andere Ware anbieten, das kann keiner bezahlen“, sagt der Esprit-Chef. „Wir haben zwar andere Schnitte, aber das gleiche Design, die gleichen Stoffe.“ In den USA zum Beispiel seien die Unterteile größer, weil die Damen um die Hüfte herum rein statistisch gesehen stärker gebaut seien als Europäerinnen.

Die Produktion dagegen versucht Esprit immer mehr zu streuen. Rund 40 Prozent der 150 Millionen Teile pro Jahr werden in Asien genäht – davon circa 30 Prozent in China. Doch der Anteil geht zurück, weil Krogner befürchtet, in absehbarer Zeit vor leeren Werkbänken zu stehen. „Wir müssen damit rechnen, dass wir in zehn bis 15 Jahren einen Arbeitskräftemangel in China haben werden“, sagt er. Ein Grund dafür sei die Ein-Kind-Politik der chinesischen Regierung. „Darum müssen wir das Risiko streuen.“ Hinzu kommt die Unsicherheit über die Produktionsbedingungen. Jeder Produzent in China müsse zwar unterschreiben, dass er sich an soziale Standards hält. Aber, sagt Krogner: „Ich kann nicht garantieren, dass dort keine Kinder beschäftigt werden. Wir sind dagegen nicht gefeit.“ Jeder, der das Gegenteil behaupte, sei scheinheilig.

Für die europäischen Abnehmer wird bereits in der Türkei, im italienischen Süden und Portugal produziert. Einen Teil hat Esprit nach Indien verlagert, und auch in Südamerika sollen Hosen und Mäntel künftig genäht werden, um näher am US-Markt zu sein. Gegen Lokalmatadoren wie Banana Republic oder Gap hat sich Esprit in seinem Stammland bisher nicht durchsetzen können. „Wir verlieren in den USA noch Geld“, gibt Krogner zu. Drei Prozent Marktanteil will er hier einmal erreichen, wie weit er davon noch entfernt ist, sagt er nicht – nur, dass das Projekt Geduld erfordert. An einen Zukauf zur Beschleunigung denkt Krogner nicht. „Wenn Esprit etwas kauft, dann eine Luxusmarke.“ Kroger hat das in den vergangenen Monaten immer mal wieder gesagt. Er will dadurch Zugriff zu den besten Designern der Welt bekommen. Ein Star-Designer, sagt der Sohn eines Textilfabrikanten, würde normalerweise nie für eine Marke wie Esprit arbeiten. „Wenn wir eine Luxus-Marke kaufen würden, würde er kommen.“

Gucci hätte Krogner gern gehabt, daraus ist nichts geworden. Doch es gibt europäische Alternativen: „Ich bin mit drei oder vier Unternehmen im Gespräch, aber der Kauf darf uns nicht überfordern.“ Wegen der internationalen Finanzkrise rechnet er sich nun bessere Chancen aus. „ Nach der US-Hypothekenkrise werden die Preise runtergehen, weil es für die Unternehmen schwieriger wird, an Kredite zu kommen.“ Er ist allerdings skeptisch, ob Esprit das noch bis 2008 hinbekommt. Vorrang hat derzeit ohnehin die Jugendmarke edc, die gerade ausgegliedert wird. Bis 2008 soll es 100 eigenständige Läden der „frechen Esprit-Schwester“ geben, wie Krogner ankündigt. Schon heute hat edc einen Umsatzanteil von rund 20 Prozent. Hinter der Firmenzentrale in Ratingen wird bereits angebaut, hier soll bald das edc-Management sitzen. Wer weiß, wer noch, denn Krogner denkt bereits über weitere Abspaltungen nach. „Es wird weitere Zellteilungen geben“, sagt er, ohne Details zu nennen. „Ich will keinen großen Wal, sondern viele kleine Barrakudas.“

Als Vorstandschef wird er diesen Prozess aber wahrscheinlich nicht mehr begleiten. Im Laufe des kommenden Jahres will sich „Mr. Esprit“ aus der operativen Geschäftsführung verabschieden und als Chairman in den Aufsichtsrat zurückziehen. In Esprit-Markenchef Thomas Grothe hat er bereits einen Nachfolger gefunden.

Maren Peters

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