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Wirtschaft: Tobin-Steuer: Den Spekulanten nehmen, den Entwicklungsländern geben

Wird unter der Führung Belgiens das internationale Finanzkapital an die Kette gelegt? Davon träumt unter anderem der französische Premierminister Lionel Jospin, der vergangene Woche die Einführung der so genannten Tobin-Steuer vorschlug.

Wird unter der Führung Belgiens das internationale Finanzkapital an die Kette gelegt? Davon träumt unter anderem der französische Premierminister Lionel Jospin, der vergangene Woche die Einführung der so genannten Tobin-Steuer vorschlug. Zuvor hatte das belgische Parlament der eigenen Regierung einen entsprechenden Auftrag erteilt. Und nun, in drei Wochen beim nächsten EU-Finanzministerrat in Lüttich, wird über die Tobin-Tax zumindest geredet. Mehr aber wahrscheinlich auch nicht. Der deutsche Finanzminister Hans Eichel ist sich mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius in der Ablehnung einig: Sie haben "große Zweifel" an der Wirksamkeit der Steuer auf Devisengeschäfte. Und wenn die Steuer eingeführt werde, dann müsse dies auf allen Finanzmärkten der Fall sei, damit die Spekulanten nicht in Steuer-freie Länder ausweichen könne.

Die Idee geht zurück auf den US-Ökonom und Nobelpreisträger James Tobin. 1972, ein Jahr nach dem Ende des so genannten Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse, erfand Tobin eine Steuer auf Devisengeschäfte, um damit die zum Teil enormen Schwankungen zwischen Währungen zu bekämpfen. Bei jedem Umtausch einer Währung in eine andere sollte eine Steuer von einem halben Prozentpunkt auf den Umsatz der Transaktion fällig werden. Wegen der (Steuer-) Kosten, so das Kalkül, würde vor allem die kurzfristige Spekulation zu Gunsten respektive zu Lasten einer Währung unattraktiv; Schätzungen zufolge bleiben rund 80 Prozent des in Bewegung gesetzten Kapitals nicht länger als eine Woche am gleichen Ort, vagabundieren also ständig um den Globus.

Das Ergebnis einer Belastung der riesigen Devisentransaktionen wären - glaubt man der Theorie - stabilere Wechselkurse, weil die Tobin-Tax - jedenfalls kurzfristig - die Spekulation auf Währungsgewinne uninteressant macht. Zum Beispiel: Wenn binnen einer Woche eine Devisengeschäft mit Kauf und Verkauf abgewickelt wird, dann müsste sich - bei Berechnung einer Tobin-Tax von 0,5 Prozent auf den Umsatz - eine Jahresverzinsung von gut 25 Prozent ergeben, damit sich der ganze Deal überhaupt noch rechnet. Die Erwartung ist also nicht abwegig, dass eine solche Steuer einen Großteil der spekulativen Kapitalbewegungen unterbinden würde und damit zur Stabilisierung der Devisenmärkte beitrüge. Ein anderer Aspekt betrifft die Verwendung der Steuereinnahmen. Unterstellt, dass die Tobin-Tax die Devisengeschäfte um die Hälfte reduzierte, blieben Schätzungen zufolge bei einem Satz von 0,5 Prozent noch immer Einnahmen von rund 90 Milliarden Dollar. Auf diese Summe sind Globalisierungsgegner und Nichtregierungsorganisationen scharf, die die Mittel gerne in Entwicklungsländern verteilen würden. Das den Spekulanten abgenommene Geld könnte an die Ärmsten der Welt verteilt werden. "Die Idee hat Charme, aber sie ist nicht tragfähig", sagt der deutsche Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser. Die wichtigsten Bedenken: Die Steuer blockiert die Effizienz der Finanzmärkte und verzerrt die Kapitalströme; Schlupflöcher, also Finanzplätze ohne Tobin-Tax, würden dem Instrument die Wirkung nehmen. Und schließlich: Wer soll die Steuer kassieren, verwalten und nach welchen Kriterien an wen ausgeben? Im Übrigen: In Westeuropa ist mit dem Euro eine Tobin-Tax weder möglich noch nötig. Wie sagt der Franzose Jospin: "Unsere Tobin-Steuer ist der Euro."

alf

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