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Wirtschaft: "UMTS wird sich bald jeder leisten können"

Volker Jung, ist seit 1999 Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Im Vorstand der Siemens AG verantwortet der 62-jährige Ingenieur den Bereich Telekommunikationsnetze, die Handy-Produktion sowie die IT-Dienstleistungen.

Volker Jung, ist seit 1999 Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Im Vorstand der Siemens AG verantwortet der 62-jährige Ingenieur den Bereich Telekommunikationsnetze, die Handy-Produktion sowie die IT-Dienstleistungen.

Herr Jung, seit der Lizenzversteigerung ist das Wort UMTS fast so bekannt wie Franz Beckenbauer. Wann kommt der neue Mobilfunkstandard denn endlich?

Die Vorschriften der Regulierungsbehörde sind eindeutig: Bis Ende kommenden Jahres muss UMTS 25 Prozent der Bevölkerung erreichen. Das ist nur machbar, wenn alle großen Städte über 180 000 Einwohner mit UMTS ausgerüstet werden. Das sollte im vierten Quartal 2003 der Fall sein.

Von den Netzbetreibern wurde die Einführung von Umts mehrmals verschoben. Ist die Technik so schwer zu beherrschen?

Es liegt nicht an der Technik. Wir werden Ende 2003 sowohl die Netze als auch die Handys haben.

Wird sich der Normalbürger UMTS leisten können?

Am Anfang wird UMTS recht teuer sein. Es wird ähnlich wie bei der Einführung des jetzt genutzten GSM-Netzes laufen. Zu Beginn war das Telefonieren per Handy sehr teuer, doch die Preise sind dann schnell gefallen. Bei sechs UMTS-Anbietern wird der Wettbewerb sein Übriges tun. UMTS wird sich bald fast jeder leisten können.

Behindert die Strahlendebatte den Aufbau der UMTS-Netze?

Ich fürchte ja. Heute haben wir vier Mobilfunkbetreiber, die bei ihrem Netzausbau massive Schwierigkeiten mit Bürgerinitiativen haben. Bei UMTS werden es sechs sein. Das macht die Sache nicht einfacher. Ich selbst wohne in einem Dorf südlich von München und kann in meinem Haus nicht mit dem Handy telefonieren, weil ich keinen Antennenmast in der Nähe habe. Eine Bürgerinitiative verhindert den Bau einer Mobilfunkantenne. Und in Deutschland gibt es rund 1000 Bürgerinitiativen.

Was tut die Industrie, um über die Gefahren der Mobilfunkstrahlung aufzuklären?

Die europäische Industrie hat viel Geld ausgegeben, um die Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Kein einziges von insgesamt 20 000 Gutachten hat unterhalb der bestehenden Grenzwerte auch nur einen Verdacht auf Schadwirkungen festgestellt. Wir wollen doch als erste wissen, ob die elektromagnetischen Felder gefährlich sind. Wäre dem so, würden wir sofort mit dem Netzaufbau aufhören, damit wir nicht noch mehr Geld in den Sand setzen. Aber Mobilfunk ist eine sichere Sache.

Die UMTS-Technik gilt als Schrittmacher für die Telekommunikationsindustrie. Siemens wird UMTS-Handys von Motorola verkaufen. Ist das ein Rückschlag für die deutsche Industrie?

Überhaupt nicht. Siemens macht das, was alle anderen auch machen. Wir suchen uns Partner, um die Entwicklungskosten auf mehrere Schultern zu verlagern. Zwar wird die technische Plattform der UMTS-Handys von Motorola und Siemens weitgehend identisch sein. Trotzdem kommen da völlig verschiedene Handys bei raus. Den Unterschied machen die Software, die Bedienoberfläche und das Design aus.

Wäre Siemens nicht in der Lage gewesen, ein eigenes UMTS-Handy zu entwickeln?

Ich halte es für falsch, wie es in Deutschland Jahre lang gemacht wurde, alles selber zu entwickeln und dann tief in die roten Zahlen zu rutschen, weil die Kosten aus dem Ruder laufen. Ich glaube, eine gesunde deutsche Industrie ist wichtiger. Und gesund ist die Industrie dann, wenn sie Profit macht.

In anderen Ländern ist das Fernsehkabel eine Datenautobahn. In Deutschland hat das Kartellamt der Telekom verboten, den Großteil ihres TV-Kabels an John Malone zu verkaufen. Wirkt sich das negativ auf die Verbreitung schneller Internetzugänge aus?

Die Entscheidung des Kartellamts kann ich zwar nicht verstehen, glaube aber nicht, dass sie dem Standort schadet. Wir haben andere Möglichkeiten des schnellen Internetzugangs, zum Beispiel DSL. Da haben wir ja im internationalen Vergleich günstige Preise.

Die gesamte ITK-Industrie hat ein dramatisch schlechtes Jahr 2001 hinter sich. Was ist da passiert?

Wir hatten eine Reihe von Effekten, die der Branche einen Boom gebracht hat. Mit dem Aufkommen der New Economy herrschte plötzlich die Meinung vor, das Wachstum zählt mehr als das Ergebnis. Also haben sich die Firmen verschuldet, um zu wachsen und dabei kräftig in Hard- und Software investiert. Irgendwann ist diese Blase geplatzt und so manche Unternehmen sind in ein tiefes Loch gefallen.

Den Unternehmen wurden von der IT-Branche riesige Möglichkeiten mit dem Internet versprochen. Haben Sie falsche Hoffnungen geweckt?

Das mag für die schwarzen Schafe gelten, nicht aber für den Großteil der IT-Anbieter. E-Business funktioniert nicht, wenn es falsch oder nur halbherzig angewendet wird. Wir kommen gar nicht darum herum, in allen Firmen E-Business einzuführen. Ein Beispiel: Siemens hat in Deutschland etwa 90 000 Zulieferer. Rationell wird der Warenaustausch erst, wenn wir eine totale Vernetzung hinkriegen. Wenn beispielsweise ein Hersteller weiß, wieviel von seiner Ware bei seinen großen Kunden auf Lager liegt, kann er viel genauer die eigene Produktion planen.

Ist der deutsche Mittelstand für das E-Business gerüstet?

Die Nutzung des Internet und der elektronischen Medien für Geschäftsvorgänge läuft in Deutschland noch nicht optimal. Da ist noch viel Zurückhaltung zu spüren. Viele der großen Unternehmen werden bald nur noch mit Firmen zusammenarbeiten, die sich vernetzen lassen. Darauf müssen sich die kleinen und mittleren Unternehmen einstellen.

Wie steht Deutschland insgesamt im internationalen Vergleich bei der Nutzung von PC, Internet und Telefondiensten da?

Deutschland liegt gut im Rennen. Wir haben international deutlich aufgeholt. Nachholbedarf haben wir noch bei der Ausstattung mit PCs und Internetanschlüssen. Da sind die Amerikaner vorne. Bei schnellen Internetzugängen per DSL, ISDN-Anschlüssen und Handys liegen wir an der Spitze.

Viele können sich PC und Internet nicht leisten oder haben Angst vor der neuen Technik. Wie kann die "digitale Spaltung" der Gesellschaft überwunden werden?

Das ist schwierig. Es wird immer Leute geben, die sich keinen PC leisten können. Die Preise für PC sind aber schon sehr niedrig. Die Software der Computer muss aber noch benutzerfreundlicher werden. Solange der PC nicht so einfach zu bedienen ist wie ein Telefon, wird es Menschen geben, die keine Lust haben, damit zu arbeiten. Ich habe das Bill Gates schon mehrmals gesagt und es bewegt sich Einiges.

Wie steht es um den Nachwuchs?

Gut gelaufen ist in Deutschland die gemeinsame Aktion von Bund, Ländern und der Industrie "Schulen ans Netz". Damit haben wir die junge Generation an die PCs und ins Internet gebracht. Auch viele, die sich die neue Technik sonst nicht leisten konnten.

Wie sollte die Aktion jetzt weitergeführt werden?

Der stationäre PC in der Schule ist eigentlich ein Fehler. Die Schüler brauchen ein Laptop, das sie auch mit nach Hause nehmen können. Damit können sie auch daheim arbeiten. Um das zu fördern, sollten Eltern den Schul-Laptop ihrer Kinder von der Steuer absetzen können. Das hat auch den Vorteil, dass die Investitionen in die Geräte nicht mehr vom Staat getätigt werden müssten. Entsprechende Vorschläge des Bitkom werden bislang leider von der Bundesregierung abgelehnt.

In der Metallindustrie wird gestreikt. Sind davon auch Unternehmen aus der IT- und Telekommunikationsbranche betroffen?

Sicher. Es gibt viele Unternehmen, deren Belegschaften in der IG Metall organisiert sind. Wir sind betroffen, wenn in den Betrieben gestreikt wird und wir sind von dem Ergebnis der Verhandlungen betroffen. Und egal wie es ausgeht, es führt zu höheren Kosten.

Und wie kommen die Firmen damit klar?

Es ist schon die Frage, ob der alte Flächentarifvertrag noch zeitgemäß ist. Ein solcher Vertrag gilt für große und kleine Firmen, für erfolgreiche und solche, die gerade in einer Krise stecken. Da brauchen wir dringend eine höhere Flexibilität. Viele Tarifverträge sind immer noch auf die Fließbandarbeit maßgeschneidert, die es in unserer Branche aber kaum noch gibt.

Herr Jung[seit der Lizenzversteigerung ist das Wo]

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