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Wirtschaft: Umweltschutz und Arbeitsnormen durchsetzen

Ein Appell an die Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft und IndustrieKofi Annan Das Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und dem privaten Sektor hat sich grundlegend geändert. Wo früher Konfrontation herrschte, steht heute die Zusammenarbeit im Vordergrund.

Ein Appell an die Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft und IndustrieKofi Annan

Das Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und dem privaten Sektor hat sich grundlegend geändert. Wo früher Konfrontation herrschte, steht heute die Zusammenarbeit im Vordergrund. Und wo die Beziehung früher von Misstrauen geprägt war, verstehen wir heute, dass unsere jeweiligen Ziele sich wirksam ergänzen können. Die Vereinten Nationen erkennen die bedeutende Rolle der Wirtschaft offen an: ihre technologischen Fähigkeiten, ihren Innovationsgeist, ihr einzigartiges Potenzial, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Auf der anderen Seite wird auch der internationalen business community immer stärker bewusst, in welchem Maße die Arbeit der UN zur politischen und gesellschaftlichen Stabilität beiträgt und welche Vorteile ihre technischen Dienste in Bereichen wie der Schifffahrt, Luftfahrt, Telekommunikation und dem geistigen Eigentum bieten.

Diese gegenseitige Anerkennung kann das Fundament für den Aufbau einer wirkungsmächtigen Allianz für das neue Jahrtausend bilden. Die weltweiten Bedingungen bieten heute noch nie da gewesene Perspektiven für Frieden und Wohlstand. Die Großmächte leben in Frieden miteinander. Markt orientierte Ansätze und die Grundprinzipien einer demokratischen Regierungsgewalt werden gemeinhin anerkannt. Technologische Fortschritte ermöglichen einen freien, ungehinderten Austausch von Informationen und Ideen. Die Vereinten Nationen und die Privatwirtschaft müssen als Partner das Beste aus diesen Gelegenheiten machen.

Ebenso wichtig ist es, auf die vielen Risiken, Gefahren und Nachteile des neuen Zeitalters einzugehen. Hunderte von Millionen von Menschen leiden noch immer unter der alten Geißel der Armut. Millionen von Menschen betrachten die neuen Globalisierungstendenzen als destruktive Kräfte, die ihre Familien, Arbeitsplätze und ihren gemeinschaftlichen Zusammenhalt bedrohen. Ein globaler Markt, der den geistigen Eigentumsrechten mehr Aufmerksamkeit schenkt als den grundlegenden Menschenrechten, ist sicherlich kein Markt mit einer menschlichen Dimension. Die Wirtschaft kann hier viel tun, sowohl in Eigeninitiative als auch über die Vereinten Nationen. Aus diesem Grunde würde ich es sehr begrüßen, wenn die weltweite business community und die Vereinten Nationen in einer globalen Übereinkunft ("Global Compact") zusammenkämen, um in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen und Umweltschutz allgemeine Grundsätze einzuführen, durchzusetzen und zu fördern.

Um welche Grundsätze handelt es sich dabei? Im Hinblick auf die Menschenrechte geht es mir darum, dass Unternehmen sich für die Durchsetzung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Rechte engagieren. Was die Arbeitsnormen betrifft, so schlage ich vor, dass Unternehmen sich für die Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit einsetzen und in ihrer Personalpolitik niemanden auf Grund seiner Rasse, seiner Religion, seines Geschlechts oder seiner Herkunft diskriminieren. Bezüglich des Umweltschutzes lege ich nahe, dass Unternehmen mehr Verantwortung für die Umwelt übernehmen und die Entwicklung und Verbreitung von umweltfreundlichen Technologien fördern.

Warum sollten diese Grundsätze engagiert verfochten werden? Weil sie als Element der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation zu den fundamentalen Grundsätzen und Rechten am Arbeitsplatz und als Element der auf der UN Konferenz über Umwelt und Entwicklung von 1992 in Rio de Janeiro angenommenen Entschließung bereits weltweite Unterstützung genießen. Weil sie Werte zum Ausdruck bringen, in denen sich die Hoffnungen von Menschen auf der ganzen Welt widerspiegeln. Weil wirtschaftliche Macht und soziale Verantwortung nicht getrennt werden können. Und weil ein unternehmerisches Verhalten, das auf Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen beruht, auch in wirtschaftlicher Hinsicht Sinn macht.

Global Compact ist kein Gesetzbuch. Diese Übereinkunft stellt vielmehr einen praktischen Schritt dar, der das Leben der Menschen nachhaltig beeinflussen kann. Gleichzeitig liefert die Übereinkunft einen Teil der sozialen Untermauerung, die globale Märkte brauchen. Die UN-Organisationen und der Hohe Menschenrechtskommissar der UN sind bereit, mit den Unternehmen zusammen zu arbeiten. Wir freuen uns darauf, Beispiele für gesellschaftliches Verantwortungsbewußtsein und für vorbildliche Unternehmensleistungen zu veröffentlichen. Wir sind bereit, zur Förderung der praktischen Zusammenarbeit Pilotprojekte durchzuführen und als Gesprächsforum zu agieren. Ich wende mich daher direkt an Sie, die führenden Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft und Industrie, und bitte Sie, enger mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. Sie verfügen über ein ungeheures Reservoir an Wissen und Erfahrung. Sie verfügen über fähige Mitarbeiter. Sie nehmen in Ländern rund um den Globus an innovativen und nutzbringenden Projekten teil. Sie haben ohne Zweifel eine Führungsrolle inne. Wir sind auf Ihre Unterstützung angewiesen, um die Grundsätze der Übereinkunft - und damit unsere Hoffnungen auf eine bessere Welt - im neuen Jahrhundert verwirklichen zu können.

Kofi Annan

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