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Wirtschaft: „Unsere Bürokratie schlägt alles“

Hans-Peter Keitel, Vorstandsvorsitzender von Hochtief, über Mindeststeuer, längere Arbeitszeit und Qualität auf dem Bau

Herr Keitel, Hochtief beschäftigt mehr Mitarbeiter im Ausland als in Deutschland, über 80 Prozent des Umsatzes werden in anderen Ländern gemacht. Was hält das Unternehmen noch in Essen?

Hochtief exportiert nichts. Deshalb gibt es auch keine natürliche Zentrale wie bei Produktionsunternehmen. Ein neuer Standort in den Niederlanden, etwa in Maastricht, würde nicht einmal den Umzug der Mitarbeiter erfordern. Aber wir sehen gute Gründe für Essen und nicht zuletzt unsere Verpflichtung, in Deutschland unseren Beitrag zu leisten.

Beim Kalkulieren hört aber die Liebe zu Deutschland auf.

Standortkosten kann man nicht bis auf die letzte Kommastelle rechnen, da zählen auch andere Argumente. Richtig ist: Wenn etwa die Diskussion um die Mindeststeuer für Unternehmen nicht aufhört, dann muss sich ein international ausgerichtetes Unternehmen wie Hochtief überlegen, ob die steuerlichen Rahmenbedingungen noch akzeptabel sind.

Sie drohen mit Abwanderung?

Wir haben keine Umzugsgedanken und wünschen uns sehr, dass die Debatte um die Mindeststeuer nicht in die falsche Richtung läuft. Unsere Verlustvorträge sind das Ergebnis harter Einschnitte im Unternehmen. Das ist keine Ansammlung irgendwelcher Buchverluste.

Wie im Fall Vodafone. Welche Summe hat sich bei Hochtief denn angesammelt?

Es ist soviel, dass es die nächsten fünf Jahre selbst bei gutem Geschäft unsere Steuerlast ein wenig mildern würde.

Hochtief ist weltweit an mehreren Flughäfen beteiligt. In Berlin scheiterte das Projekt zur Privatisierung des neuen Großflughafens. Würden Sie einen neuen Versuch unternehmen?

Das Thema ist noch nicht zu Ende diskutiert. Ich bezweifle einfach, dass die öffentliche Hand in der Lage ist, diese Projekte im geplanten Maßstab allein hinzubekommen.

Haben Sie schon ein neues Angebot in der Schublade?

Wenn es einen neuen Anlauf zu einer vernünftigen Privatisierung gibt, dann werden wir uns das selbstverständlich ansehen. Nach dem alten Verfahren aber, das bei jeder Gelegenheit vor Gericht endete, sind wir nicht dabei. Es geht ja auch anders. Wenn ein Staat wie Griechenland – trotz des politischen Wechsels in der Regierung während des Verfahrens – die Privatisierung des Flughafens Athen schafft, dann müsste das doch in Deutschland auch machbar sein.

Woran hakt es?

Die Politik will das. Die Industrie will und kann das. Und die Haushaltsnot des Staates wächst. Trotzdem passiert nichts. Wir haben hierzulande eine Baubürokratie, die weltweit alles schlägt. Es reicht nicht, wenn der Minister seinen politischen Willen bekundet. Irgendwer muss das ja auch ausschreibungsreif machen. Wir hangeln uns aber von Pilotprojekt zu Pilotprojekt und drehen eine Schleife nach der anderen mit Ausschüssen und Gutachten.

Wenn der Bundesfinanzminister auf die Idee käme, aus Haushaltsnot ganze Autobahnstrecken zu verkaufen, damit ein Privatunternehmen sie weiter betreibt. Würden Sie dann bieten?

Warum nicht. Es müssten aber attraktive Strecken sein. Wer schlitzohrig versucht, nur Straßen zu privatisieren, die hohe Kosten verschlingen, aber keinen Verkehr bringen, wird auch keinen Interessenten dafür finden. Wir werden schon bald erkennen, dass nicht einzelne Strecken, sondern kleine Systeme wie etwa ein Autobahnnetz Ruhrgebiet privatisiert werden müssen.

Das bedeutet auch Maut für alle.

Ohne Privat-Pkw-Maut läuft da nichts. Das bedeutet aber auch weit reichende Änderungen im Steuersystem. Denn Maut plus Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer macht keinen Sinn.

Würden Sie auch Eisenbahnstrecken für Bahnchef Mehdorn betreiben?

In Australien haben wir schon eine mehr als 1000 Kilometer lange Strecke gebaut, die wir auch betreiben. Theoretisch ginge das auch in Deutschland, aber wir haben andere Strukturen. Die Bahn hat selbst die Hoheit über das Netz und setzt die Standards für die Nutzung. Man kann nicht etwas privatisieren, bei dem andere die Regeln bestimmen.

In vielen Branchen wird um die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche gestritten. Ist das ein Thema für die Baubranche?

Die Probleme der Branche lassen sich damit nicht lösen. Aber es wäre ein Beitrag zur Lösung, denn es führt zur Kostensenkung. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich erfolgt.

Gegen die Niedriglöhne in den neuen EU-Ländern kann ein deutscher Bauarbeiter selbst bei 40 Stunden ohne Lohnausgleich doch nicht konkurrieren.

Das muss er auch nicht. Erstens gibt es eine Übergangsfrist von sieben Jahren, bis die völlige Freizügigkeit für Arbeitskräfte und Unternehmen gilt. Und zweitens werden sich in diesen Ländern – nicht zuletzt durch Fördermittel aus Brüssel – regionale Baumärkte und ein Lohnniveau entwickeln, die es deutlich unattraktiver machen, in Deutschland zu arbeiten. In drei bis vier Jahren wird sich der Trend eher umkehren.

Die Bauwirtschaft hat in den letzten Jahren Hunderttausende Jobs gestrichen. Ist das Ende der Krise in Sicht?

Bei den Arbeitsplätzen haben wir das Tal der Tränen durchschritten. Allein Hochtief hat zwei Drittel der Belegschaft abgebaut, 14000 Arbeitsplätze. Damit sind wir schon unter eine Mindestgröße abgetaucht, die wir brauchen, um weiterhin unsere Leistungen anbieten zu können.

Dann sind alle Probleme gelöst?

Keineswegs. Bei den Ausschreibungen sieht es nicht gut aus. Es werden viel zu viele Angebote abgegeben, es gibt noch viel zu viele Anbieter. Dieser Wildwuchs ist weder für den Bauherrn noch für die Branche gesund.

Sie wollen Ausschreibungen beschränken?

Nein, jeder soll sich um jeden Auftrag bewerben können. Aber was spricht dagegen, beispielsweise bei der Ausschreibung einer Schule im Vorfeld die Firmen abzufragen, ob sie über qualifiziertes Personal verfügen, ob sie ihre Steuer und Sozialversicherungsbeiträge pünktlich zahlen oder wie viele Schulen sie schon gebaut haben? Solche Vorauswahlverfahren sind im Ausland völlig normal.

Es tummeln sich also noch zu viele unqualifizierte Unternehmen am Bau?

Qualität ist kaum noch ein Maßstab. In Deutschland gilt beim Bau schon seit mehr als zehn Jahren die Devise „Geiz ist geil“. Oftmals ist der Preis das einzige Kriterium für die Auftragsvergabe. Deshalb haben wir in Deutschland inzwischen auch ein massives Qualitätsproblem.

Warum geben Sie das Baugeschäft nicht komplett auf und konzentrieren sich auf den Betrieb von Flughäfen, auf Bergbau und das Gebäudemanagement.

Alles hängt mit dem Bauen zusammen. Wenn wir nicht mehr selbst bauen, würde uns Know-how fehlen. Und das brauchen wir, um besser als andere beispielsweise einen Flughafen betreiben zu können.

Hochtief hat sich als einer der ersten Konzerne einen Verhaltenskodex für Mitarbeiter zugelegt. Sind Bestechung und Vorteilsnahme damit ausgeschlossen?

Ausschließen lässt sich das grundsätzlich nicht. Ich will in diesem Unternehmen aber alles tun, um von Korruption verschont zu bleiben. Es darf in diesem Unternehmen niemanden mehr geben, der nicht weiß, dass Verstöße Folgen haben.

Welche?

Wir trennen uns schnell und lautlos von solchen Mitarbeitern.

Das Gespräch führte Dieter Fockenbrock.

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