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Wirtschaft: Urheberrecht: Gregor Wittkop

Die Erkenntnis, "dass der Verleger jederzeit genau weiß, was ihm und seiner Familie frommt, der Autor dagegen völlig im Dunkeln ist", sie ist nicht neu, datiert aus den rauhen Tagen des Frühkapitalismus; Goethe formulierte sie so, in einem Brief an Sulpiz Boisserée vom 12. Januar 1826.

Die Erkenntnis, "dass der Verleger jederzeit genau weiß, was ihm und seiner Familie frommt, der Autor dagegen völlig im Dunkeln ist", sie ist nicht neu, datiert aus den rauhen Tagen des Frühkapitalismus; Goethe formulierte sie so, in einem Brief an Sulpiz Boisserée vom 12. Januar 1826. Deutliche Sätze, verständlich auch für solche, die später dann in den Industrien die Arbeit taten und der Willkür ihrer Distributoren, den Händlern und Fabrikanten ausgesetzt waren. Die Zeiten wandeln sich. Heute versteht kein IG-Metaller, kein Chemiefacharbeiter und erst recht kein Angestellter des öffentlichen Dienstes, dass der Arbeitsmarkt der Autoren noch immer in jenem klassischen, also "völlig gesetzlosen Zustande" ist, den Goethe beschrieb. Statt tariflicher Übereinkünfte und Minimalstandards gilt die Vertragsfreiheit, die - versteht sich - die Freiheit des Stärkeren ist. Der Urheber jenes Produkts, dem als Kunstwerk ein hohes Sozialprestige beigemessen wird, hat rechtlich keinen anderen Status als ein Kakaolieferant aus einem Dritte-Welt-Staat.

Das ändert sich nun, und sie hören vielleicht die Lamentationen der Verlage und der übrigen Distributoren? Hören Sie weg. Wer seine Autoren bisher angemessen bezahlt hat - und das waren viele, allen voran die Öffentlich-Rechtlichen - wird keinen Schaden nehmen. Und die Übrigen? Je nun, sie werden sich damit abfinden müssen, dass auch in der kreativen Branche der sozialpolitische Normalfall eingetreten ist. Nach 175 Jahren Klassik.

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