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Wirtschaft: US-Politik gefährdet Aufschwung in Europa

Amerika treibt den Eurokurs und die Zinsen am Kapitalmarkt. Die Europäische Zentralbank muss reagieren, verlangen Fachleute

Berlin (brö/hop). Das massive Defizit des amerikanischen Bundeshaushalts bedroht den Aufschwung in Deutschland. Wirtschaftsforscher warnten am Montag im Gespräch mit dem Tagesspiegel, das gerade erst in Fahrt kommende Wachstum könnte durch einen weiter steigenden Eurokurs und höhere KapitalmarktZinsen schon wieder geschmälert werden. „Die Politik der USA ist eine Gefahr für Europa und Deutschland“, sagte Ulrich Hombrecher, Chefvolkswirt der WestLB in Düsseldorf. „Die Europäer müssen etwas dagegen unternehmen.“

Nach drei Jahren der Stagnation zeichnet sich für Deutschland in diesem Jahr erstmals wieder ein Wachstum von 1,5 Prozent und mehr des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ab. Turbulenzen auf den Finanzmärkten wie ein weiter steigender Euro gefährden diese Entwicklung aber – denn eine hoch bewertete Währung schmälert die Absatzchancen der exportorientierten deutschen Wirtschaft. Getrieben wird der Euro-Kurs seit Herbst 2003 durch das hohe Leistungsbilanzdefizit (siehe Lexikon Seite 16) der Vereinigten Staaten. Es kommt zu Stande, weil die Amerikaner mehr Güter importieren, als sie exportieren. Ausgeglichen wurde dieses Finanzierungsdefizit bislang, weil Ausländer in den USA investierten und Aktien amerikanischer Unternehmen kauften. Doch seit kurzem ist dieser Kapitalstrom verebbt – die Folge: Der Euro hat zum Dollar seit Anfang September um 15 Prozent gewonnen. Bis Montagabend ging der Kurs auf 1,2419 Dollar zurück.

Der Kapitalhunger wächst

Die expansive Haushaltspolitik der USA vergrößert den Kapitalhunger der US-Volkswirtschaft. „Defizite sind prognostiziert, soweit das Auge reicht“, erklärte der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer Studie. Das verunsichert die Finanzmärkte – und birgt die Gefahr weiterer Kursverluste. Im schlimmsten Fall könnte sich der bisherige Kursverfall des Dollars als Vorgeplänkel erweisen. „Die Devisenmärkte können schnell aus den Fugen geraten“, warnt Hombrecher.

Das ist aber nicht die einzige Gefahr für Deutschland. Die Erfahrung zeigt, dass hohe Staatsschulden auf Dauer die Zinsen nach oben treiben. Teure Kredite machen für Bürger und Unternehmen Investitionen unwirtschaftlicher. Wird zu wenig investiert, kann die Wirtschaft nicht mehr ausreichend wachsen – weil vor allem die Produktivität nicht mehr zunimmt. Langfristig dürften die schuldenfinanzierten Steuersenkungen des US-Präsidenten das Produktivitätswachstum in den USA um bis zu 0,5 Prozentpunkte bremsen, schätzt der IWF. Doch die USA sind derzeit die Lokomotive der Weltwirtschaft – eine schwächere Entwicklung würde auch den Aufschwung in anderen Ländern schmälern. „Die negativen Effekte der US-Haushaltsdefizite würden weltweit auf Investitionen und Wachstum überschwappen“, warnt der Fonds.

Wirtschaftsforscher fordern deshalb von der US-Regierung einen raschen Richtungswechsel. „Das Ziel muss lauten: zurück zum Haushaltsüberschuss“, verlangte der Wirtschaftswissenschaftler Lester Thurow. Auch die Europäer sind gefragt, sagt WestLB-Chefökonom Hombrecher. „Sie dürfen nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren. Beim Treffen der G7-Finanzminister Ende der Woche sollten die Europäer darauf dringen, dass sich die Industriestaaten für ein Ende des schwachen Dollar aussprechen“, sagte er. Andere Fachleute fordern EZB-Chef Jean-Claude Trichet zum Handeln auf. „Wenn der Euro über die Marke von 1,30 Dollar steigt, sollte die Europäische Zentralbank eingreifen“, sagte David Milleker, Währungsexperte von der Dresdner Bank.

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