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Wirtschaft: Verdi: Mindestlohn schafft 450 000 Jobs

Eine von der Gewerkschaft in Auftrag gegebene Studie stützt die Forderung von 7,50 Euro pro Stunde

Berlin - Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 7,50 Euro würde laut einer neuen Studie kurzfristig 450 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Die von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Auftrag gegebene Studie, die Verdi-Chef Frank Bsirske am Freitag in Berlin präsentierte, untermauert die Forderung der Gewerkschaft nach einem gesetzlichen Mindestlohn.

Der Ökonom Klaus Bartsch hat für die Studie ein Szenario durchgerechnet, wonach ab 2008 ein gesetzlicher Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde eingeführt und bis 2009 auf neun Euro erhöht wird. In seiner Modellrechnung geht er davon aus, dass Menschen mit niedrigen Einkommen praktisch jeden zusätzlichen Euro vollständig ausgeben und nichts sparen. Deshalb würde die Einführung des Mindestlohns die Binnennachfrage spürbar anregen und dadurch mehrere Hunderttausend neue Jobs schaffen, heißt es. Selbst unter Berücksichtigung aller „Nebenwirkungen“, wie Preis- und Rationalisierungseffekte, blieben langfristig Beschäftigungsgewinne von über 100 000 Personen, schätzt Bartsch. Über die Verteilung der zusätzlichen Jobs auf einzelne Branchen konnte er sich nicht äußern.

Verdi-Chef Bsirske appellierte an die in diesem Punkt zerstrittene große Koalition, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen und „endlich zu handeln“. Der Union warf er eine „doppelte Ignoranz“ vor. Sie ignoriere zum einen die Situation der mehreren Millionen Bundesbürger, die trotz einer Vollzeitbeschäftigung in Armut lebten. Zum anderen würden auch die positiven internationalen Erfahrungen mit Mindestlöhnen nicht zur Kenntnis genommen.

Die Spitzen von Union und SPD wollen am 18. Juni im Kanzleramt erneut über Mindestlöhne sprechen. Ein erstes Treffen Mitte Mai war ergebnislos geblieben.Die SPD will einen Mindestlohn von etwa 6,50 Euro durchsetzen, während die Union einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ablehnt. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat deutlich gemacht, dass das Treffen am 18. Juni für ihn die letzte Verhandlungsrunde sein soll, wenn die Union der SPD nicht entgegenkommt.

Die meisten bislang vorgelegten Studien kamen zu dem Ergebnis, dass ein flächendeckender Mindestlohn die Beschäftigungssituation in Deutschland dramatisch verschlechtern würde. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt rechnet damit, dass in diesem Fall die Jobs von 1,7 Millionen Vollzeitbeschäftigten bedroht würden. Vor allem die wenig produktive Arbeit von Geringqualifizierten sei gefährdet, so das Argument. Unschädlich sei lediglich ein Mindestlohn von bis zu 4,50 Euro die Stunde, rechnet Ulrich Walwei vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört.

Verdi-Chef Bsirske sagte, die meisten Gutachten unterschätzten die Nachfrageeffekte eines Mindestlohns. Er erteilte zudem den Plänen von Vizekanzler Müntefering für einen Erwerbstätigenzuschuss eine Absage. Nach dessen Vorstellungen sollen Alleinstehende mit einem Einkommen zwischen 800 und etwa 1300 Euro einen staatlichen Zuschuss von bis zu 20 Prozent bekommen, damit sie nicht in das Arbeitslosengeld II abrutschen. Damit würden Unternehmen subventioniert, die mit Armutslöhnen regulär bezahlende Firmen unterböten, sagte Bsirske. „Das ist irre.“

Auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sprach sich gegen staatliche Lohnzuschüsse aus. „Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass es in Deutschland mehrere Huntertausend Menschen gibt, die Vollzeit arbeiten gehen und noch Staatsknete dazu bekommen müssen“, sagte Steinbrück bei einer Veranstaltung am Donnerstagabend in Berlin. Die Arbeitgeber würden die Löhne oft absichtlich runterschrauben, weil sie wüssten, dass die Gesellschaft mit Solidarleistungen einspringe. „Das ist eine skandalöse Tendenz“, sagte Steinbrück. Mitarbeit: stek

Gábor Takács

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