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Wirtschaft: Verdi pocht auf besseres Angebot

Arbeitgeber sollen am Mittwoch nachlegen– sonst kommt der Streik im öffentlichen Dienst/Kritik an Schlichtern

Berlin/Bremen (alf/stg). Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erwartet von den Arbeitgebern ein neues Angebot auf der Grundlage des Schlichterspruchs. VerdiChef Frank Bsirske sagte am Montag in Bremen, das Angebot müsse bei den Tarifverhandlungen am kommenden Mittwoch in Potsdam vorgelegt werden. Dagegen sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD, die Arbeitgeber würden mit ihrem Angebot aus der Schlichtungsrunde nach Potsdam kommen.

Schily wies den Vorschlag der Schlichter Hans Koschnick und Hinrich Lehmann- Grube als gewerkschaftsfreundlich zurück. Die Arbeitgebervertreter in der Schlichtungskommission hatten den Plan, der unter anderem eine Einkommenserhöhung um 2,4 Prozent zum 1. Januar 2003 und um weitere 0,6 Prozent ein Jahr später vorsieht, als zu teuer abgelehnt. Dagegen stimmte am Montagnachmittag die Bundestarifkommission von Verdi der Schlichtungsempfehlung zu, obwohl „eine Reihe von Kröten“ für die Gewerkschaft enthalten seien, wie Bsirske sagte. „Jetzt müssen sich die Arbeitgeber bewegen. Sonst tragen sie die Verantwortung für einen harten Arbeitskampf“, sagte Bsirske in Bremen. Die Annahme des Schlichterspruchs „ist uns nicht leicht gefallen“, sagte Bsirske. Zu den „Kröten“ zählte der Verdi-Chef den Wegfall eines freien Arbeitstages und die anderen Ausgleichsmaßnahmen des Schlichtungsvorschlags. „Wir sind damit an den Rand dessen gegangen, was wir verkraften können“, sagte Bsirske. Zu den Chancen für eine Einigung bei der Tarifrunde in Potsdam wollte sich der Verdi-Chef nicht äußern.

Bundesinnenminister Schily verteidigte die Ablehnung des Schlichterspruchs. Wenn der Vorschlag auch auf Beamte übertragen würde, führte das Schily zufolge zu Mehrbelastungen aller öffentlicher Haushalte von knapp zwölf Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr. Das Angebot der Arbeitgeber habe zuletzt bei 2,8 Prozent gelegen. „Es ist eine sehr gute Zahl, die wir vorgelegt haben“, sagte der Minister.

Der Wirtschaftsweise Horst Siebert kritisierte im Handelsblatt die Schlichter. Die Empfehlung „orientiert sich zu stark an den Abschlüssen der Privatwirtschaft, wo freiwillige Leistungen gekürzt werden können und derzeit auch gekürzt werden. Zudem besteht dort für die Arbeitnehmer ein deutlich höheres Arbeitsplatzrisiko.“ Siebert warnte vor einem Streik, der überhaupt nicht in die Konjunkturlage passe. „Er birgt die Gefahr einer erneuten Rezession. Vor allem die Gemeinden werden weniger investieren können, und dies hat negative Auswirkungen auf die Bauwirtschaft“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrats. Pro Prozentpunkt Tariferhöhung gingen etwa 60000 Stellen verloren, wenn man einen Durchschnittsverdienst im öffentlichen Dienst von 27900 Euro pro Jahr unterstelle.

Auch der Berliner Politologe Peter Grottian kritisierte die Schlichter. Die Schlichter hätten „keinen Kompromiss“ zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft gesucht, sondern „die Gewerkschaft bevorzugt“. Bislang hätten sich in dieser Tarifrunde „beide Seiten aus der beschäftigungspolitischen Verantwortung gestohlen“, sagte Grottian dieser Zeitung. „Man kann nicht nur auf Lohnprozente starren.“ Grottian schlug vor, die Löhne und Gehälter zum 1. Januar um 1,7 Prozent zu erhöhen. Ein weiterer Prozentpunkt des „ursprünglichen Tarifvolumens“ werde zu Gunsten von innovativen Dienstleistungen und neuen Arbeitsplätze umverteilt; zum Beispiel für vorschulische Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Schulen, Jugendeinrichtungen und Projekte zur Ausländerintegration. Allein Lohnprozente- Forderungen sind Grottian zufolge „nicht mehr gesellschaftsfähig“.

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